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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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während Vögel pfiffen, Tiere brummten und knurrten, scharrten, gähnten   …
    Wir waren inzwischen im entlegensten Teil des Zoos, auf der stillen Seite. Alle Zoos haben ihre entlegenen Seiten: die Bereiche, die am weitesten von den Restaurants und Souvenirläden entfernt liegen, dort wo die weniger beliebten Tiere untergebracht sind, die Tiere, die kaum zu sehen sind oder nicht viel machen – Wölfe, Hirsche, kleine braune Wesen, die in Höhlen leben, Vögel, die nicht gerade Strauße sind. Es sind einsame Orte   – Orte, an denen man Geheimnisse teilen kann. Geheimnisse oder auch Wahrheiten.
    Oder Nichtigkeiten.
    In unserem Fall waren es Nichtigkeiten.
    Ich erzählte Candy von meinen Eltern; sie hörte zu. Ich erzählte ihr von Gina und Mike; sie sagte, die würde sie gern mal kennen lernen. Ich erzählte ihr von der Schule und den Prüfungen und sie driftete weg, seltsam bedrückt oder vielleicht auch nur gelangweilt. Aber als ich vom Songschreiben, Musikmachen und von den Bühnenauftritten mit den
Katies
erzählte, war sie wieder ganz da. »Das muss fantastisch sein«, sagte sie, »etwas zu tun, was du richtig gern machst.«
    »Ja«, antwortete ich. »Es ist ziemlich gut.«
    »Wie ist es so auf der Bühne, du weißt schon, mit all den Leuten, die dir zuschauen? Macht es dir keine Angst?«
    »Nicht wirklich. Ich meine, uns schauen ja nicht so sehr viele Leute zu, und wenn die Lichter aus sind, siehst du die meisten sowieso nicht. Außerdem hab ich hauptsächlich damit zu tun, mich an die Songs zu erinnern, und kann nicht viel anderes denken.« Ich sah sie an. »Wie ist das bei dir? Macht es dir Angst?«
    |116| »Was?«
    »Wenn
du
auf der Bühne bist – wenn du tanzt.«
    »Ach so, stimmt«, sagte sie schnell und senkte den Blick. »Ja   … ich weiß nicht   … ich glaube, ich denk da nicht wirklich drüber nach. Ich tanze einfach   …« Sie hob den Kopf und starrte mit leerem Blick in die Ferne und ihr Gesicht wirkte wieder merkwürdig bedrückt. Als sie sprach, klang ihre Stimme kalt. »Ich tu so, als ob ich gar nicht da wäre. Das ist die einzige Möglichkeit   …« Sie seufzte in die Stille, doch nur für einen Moment. Nach einem kurzen, geringschätzigen Kopfschütteln wandte sie sich mir wieder zu – ihr Lächeln war zurückgekehrt – und sagte: »Vielleicht kann ich ja irgendwann mal kommen und dich auf der Bühne spielen sehen.«
    »Ja.«
    Sie grinste. »Ich könnte ganz vorn stehen und deinen Namen kreischen und dir meinen Slip zuwerfen. Was meinst du? Würde dir das gefallen?«
    »Wenn du ihn vorher gewaschen hast.«
    Sie lachte.
    »Übrigens«, sagte ich und griff in meine Tasche, »ich hab zufällig ein Plakat dabei   …« Ich faltete das Poster für unseren Auftritt in London auseinander und zeigte es ihr. »Das Konzert ist an diesem Freitag«, erklärte ich, als sie mir das Plakat abnahm und es überflog. »Ich meine, ich weiß nicht, ob du da hinkommen kannst   …«
    »The Black Room«
, sagte sie, das Plakat lesend.
    »Das ist ein Club in Hammersmith.«
    »Ja, den kenn ich.« Sie schaute zu mir hoch. »Da spielst du?«
    »Um neun«, sagte ich. »Diesen Freitag.«
    |117| Sie nickte lächelnd. »Ich bin beeindruckt.«
    »Ich kann dich auf die Gästeliste setzen, wenn du willst.«
    »Mit Backstage-Zutritt?«
    »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht. Kannst du kommen?«
    Sie kaute auf ihrer Lippe und überlegte schwer. »Ich glaube, ja   … ich muss mal sehen. Es ist nur ein bisschen   …«
    »Was?«
    »Nichts   … schon gut. Es ist nur ein bisschen kompliziert, das ist alles. Kann sein, dass ich ein paar Dinge abklären muss   …« Ihr Blick wanderte zurück zu dem Plakat und ich sah, wie sie das Für und Wider abglich – sich das eine ausmalte, das andere ausmalte, die Konsequenzen erwog.
    »Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen«, sagte ich. »Wenn du nicht kommen kannst   –«
    Sie brachte mich mit einem plötzlichen Kuss zum Schweigen, der schon fast wehtat vor lauter Leidenschaft. Einen Moment glaubte ich, ich würde gleich umfallen, aber dann brach sie ab und es gelang mir, mein Gleichgewicht wiederzufinden, während sie mir in die Augen sah und meinte: »Ich werde da sein – okay?«
    »Gut   …«
    Sie drückte sich fester an mich und hob ihr Gesicht an meins, bis ich ihren geflüsterten Atem auf meinen Lippen spürte. »Ich werde da sein.«
    Dann klingelte ihr Telefon.
    »Scheiße!«, sagte sie ärgerlich, griff in ihre Tasche und zog das Handy heraus.

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