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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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schniefte. »Komm   … lassen wir es allein.«
    Ich folgte ihr zurück in Richtung Ausgang und fühlte mich still berührt von dem, was ich gerade erlebt hatte   … von der Traurigkeit, der Stille, der Dunkelheit, der Einsamkeit   … alles auf einmal in einen kurzen Moment gepackt. Es war so   …
    Ich weiß nicht.
    Einfach so viel.
     
    Auch wenn danach nichts anderes passiert wäre, wenn wir die Mondscheinwelt nur mit der Erinnerung an diesen traurigen kurzen Moment verlassen hätten, wäre er mir trotzdem auf Jahre hinaus im Gedächtnis geblieben.
    Aber es passierte noch etwas anderes.
    Etwas, das diesen Moment ewig werden ließ.
     
    Ohne ein einziges Wort führte mich Candy ans Ende des Gangs und in eine dunkle kleine Nische neben der Tür zum Ausgang. Ich dachte, sie wolle mir noch etwas zeigen, ein anderes Tier oder sonst was in der Art, aber stattdessen fasste sie mich an den Schultern, schob mich gegen die Wand, und ehe ich wusste, wie mir geschah, küssten wir uns schier zu Tode. Heiße Küsse, feuchte Küsse, lange, feste Küsse, die ewig dauerten   … Lippen und Zungen, Hände und Körper, alles stöhnte unkontrolliert   …
    Gott   …
    Ich verglühe noch immer, wenn ich nur daran denke.
    |113| Die Hitze ihres Mundes, ihrer Lippen, der Rausch, als ihr Körper meinen berührte, der nackte Reiz ihrer Haut   …
    Ich weiß nicht, wie lange wir so dastanden und die Wand anstöhnten und -seufzten. Wenn nicht ein paar kleine Kinder um die Ecke gekommen wären und uns mit ihrem Kreischen und Kichern überrascht hätten, stünden wir sicher noch immer da. Versunken in dunklem Verlangen, versunken ineinander   …
    Doch so, wie es lief, brachten uns die Kinder wieder zur Besinnung. Wir hörten auf mit dem Küssen und schauten sie einen Moment an, ohne dass sich einer von uns gerührt hätte. Dann kamen ihre Eltern um die Ecke und der Bann war auf einmal gebrochen. Die Eltern wussten nicht, was sie tun sollten. Zuerst schreckten sie etwas zurück und fragten sich wohl, was wir da trieben. Aber dann erzählten ihnen die Kinder, was wir getrieben hatten, die Eltern wurden verlegen und da mussten wir kichern, was uns half, ein bisschen runterzukommen. Nicht wirklich viel, aber immerhin genug, dass wir die Tür öffnen und hinaus in den Spätnachmittag treten konnten, ohne allzu sehr aufzufallen.
    »Das hat Spaß gemacht«, sagte Candy immer noch kichernd.
    Meine Haut war gerötet, prickelte an der frischen Luft und ich hatte das Gefühl, mindestens einen Monat lang nicht geatmet zu haben. Ich versuchte zu sprechen, doch das Einzige, was herauskam, war ein kehliger Seufzer.
    Candy lachte mich an, ihre dunklen Augen strahlten. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Mh-hm.«
    Sie grinste wieder und griff in ihre Handtasche nach einer Zigarette. Sie hielt mir die Schachtel hin. »Bist du sicher, dass du keine willst?«
    |114| »Mh-mh«, sagte ich.
    Sie blieb stehen, um sich die Zigarette anzuzünden – legte die Hände drumrum zum Schutz gegen den Wind und klickte das Feuerzeug an. Schließlich warf sie den Kopf zurück und blies den Rauch aus, mit einem unwiderstehlichen Ausdruck in ihrem Gesicht. »Okay«, sagte sie. »Was machen wir jetzt?«
    Jetzt?
, dachte ich.
Was wir jetzt machen?
    Ich war fast bereit, mich hinzulegen und zu sterben.
    »Los, komm, Joe«, sagte sie und fasste meine Hand. »Es ist noch früh. Und es gibt noch jede Menge zu sehen.« Sie grinste mich an. »
Los
, komm   … ich kauf dir eine Cola – die gibt dir neue Energie.«
    Meine Beine zitterten noch, als sie mich fortzog, und der Boden war eine unbekannte Oberfläche zwanzig Kilometer unter mir.
     
    Abgesehen von einem kleinen Schluckauf war der Rest des Tages eine angenehme Art, wieder herunterzukommen. Candy kaufte mir eine Cola – und sich selbst eine Flasche Mineralwasser   –, dann bummelten wir im verblassenden Licht umher, schlenderten langsam die Wege entlang, Arm in Arm, ohne recht darauf zu achten, wohin wir gingen – einfach nur so. Der Zoo leerte sich allmählich, die Schulkinder und die Touristen fuhren wieder nach Hause, und als der Himmel anfing zu dunkeln und der Nachmittag dem Abend Platz machte, kehrte diese stille, behagliche Atmosphäre ein, die zum Ende des Tages gehört – einschlummernde Tiere, schließende Läden, Zoowärter, die mit Schubkarren alles für die Nacht vorbereiten.
    Ich fühlte mich wohl, ein Teil davon zu sein.
    Müde und glücklich spazierten wir still in der kühler werdenden |115| Brise,

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