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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ich musste mich |191| umschauen, egal was passierte. Ich musste Ausschau halten nach Candy   … oder Iggy   … oder einer netten kleinen Wohnung im dritten Stock eines renovierten Hauses aus viktorianischer Zeit. Das Dumme war nur: Candy oder Iggy würde ich erkennen, wenn ich sie sah   … aber ein renoviertes Haus aus viktorianischer Zeit?
    Wie zum Teufel sah so was aus?
    Ich hatte keine Vorstellung.
    Also ging ich einfach weiter, schaute weiter, bewegte mich weiter in der Hoffnung, dass irgendetwas geschehen würde. Andernfalls – was? Noch mal von vorn anfangen? Für immer in Kreisen laufen? Stehen bleiben und jemanden fragen?
    Ja, richtig   … bleib stehen und frag jemanden. »Entschuldigung, ich suche nach einer Prostituierten und ihrem Zuhälter   … Sie ist jung und schön und raucht Heroin und er ist groß und schwarz und macht einem wahnsinnig Angst. Ich glaube, sie wohnen in einem renovierten Haus aus viktorianischer Zeit   …«
    Echt gute Idee, Joe.
    Gut überlegt.
    Warum fragst du nicht die Polizisten da drüben   …?
    Polizisten?
    Es waren zwei, direkt vor mir, in einem Streifenwagen am Straßenrand. Sie schienen nichts zu tun – sie saßen bloß in ihrem Fahrzeug und sahen gelangweilt und unfreundlich aus   –, doch ihr Anblick versetzte mir einen Schock. Was, wenn sie mich anhielten und mir Fragen stellten?
Was treibst du in dieser Gegend? Wo willst du hin? Wieso bist du nicht in der Schule?
Ich konnte ihnen doch nicht die Wahrheit sagen, oder? Und im Moment fiel mir auch keine passende Lüge ein   …
    Also drehte ich mich – so lässig wie möglich – um und ging den |192| Weg zurück, den ich gekommen war.
     
    Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich den Streifenwagen nicht gesehen hätte. Vielleicht wär ja alles gut gegangen. Vielleicht wär ich noch ein paar Stunden im Kreis um King’s Cross herumgelaufen, ohne etwas zu finden, und dann vielleicht nach Hause gefahren und dann vielleicht   …
    Ich weiß es nicht.
    Vielleicht wär was anderes passiert.
    Aber so war’s nicht   … denn ich lief nicht noch ein paar Stunden im Kreis um King’s Cross herum, ohne etwas zu finden. Stattdessen hastete ich in meinem Eifer, von dem Streifenwagen wegzukommen, durch die Seitenstraßen, ohne richtig nachzudenken, wo ich eigentlich hinwollte, und erst als ich schon halb über eine belebte Hauptstraße drüber war und darauf wartete, dass die Ampel umschaltete, merkte ich plötzlich, wo ich mich befand – ich stand auf einer Verkehrsinsel inmitten der Euston Road, direkt gegenüber dem Haupteingang zum Bahnhof. Ich war wieder genau da, wo ich losgegangen war.
    Und das war der Moment, als ich Iggy sah.
     
    Er kam aus dem Bahnhof. Größer als alle anderen, in einen langen schwarzen Ledermantel gekleidet, den Kopf hoch erhoben, die Arme selbstsicher schwingend und die geladenen Augen voller Nichts. Ich sah, wie die Leute seinen Blick mieden, ihm aus dem Weg gingen, instinktiv seine Größe, seine Stärke und das totale Fehlen jeglicher Gefühle fürchteten. Und obwohl sein Gesicht leer war, sah ich, wie sehr er diesen Effekt genoss.
    Ohne nachzudenken, trat ich ein paar Schritte zurück und |193| brachte mich in eine Position, in der ich von anderen Passanten verdeckt war – ich konnte Iggy noch sehen, er mich aber hoffentlich nicht. Mit pumpendem Herzen beobachtete ich ihn – wie er an der Bahnhofsfront entlangschritt, an den Zeitungskiosken vorüber, an
Boots
vorbei und sich mit der unangestrengten Leichtigkeit eines Mannes bewegte, der genau weiß, wohin er will. Er wandte sich nach links und verschwand den Weg hinter dem Bahnhof entlang   … verschwand mir aus dem Blick   …
    Ich schob mich vor an die Kante der Verkehrsinsel, drängte mich zwischen den Körpern durch und flehte die Ampel an, endlich umzuschalten. Es war Feierabend und viel zu viel Verkehr   … unmöglich, die Straße zu überqueren. Ich schaute in Panik auf. Iggy verschwand um die Ecke   … ich verlor ihn aus den Augen   …
    Dann gingen die Piepstöne los und die Ampel schaltete um, der Verkehr hielt an und ich war schon weg, quer über die Straße, auf den Bürgersteig, durch die Menge drängend, im Spurt an die Ecke, wo ich schlitternd zum Stehen kam   … und dann, mir vage bewusst, wie dämlich ich wahrscheinlich aussah, schob ich den Kopf um die Ecke und starrte die Straße entlang. Sie war nicht allzu belebt – viel Verkehr auf der Straße, aber die Bürgersteige nicht übervoll – und

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