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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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fühlen sich unwohl damit. Deshalb nennen sie dich Lügnerin   … und lachen dich aus. Sie stoßen dich fort. Und das geschieht ganz plötzlich. In der einen Minute mögen sie dich noch   … in der nächsten hassen sie dich. Du gehörst nicht mehr dazu. Du bist anders. Du versuchst besser zu sein als sie. Oder schlimmer. Du schwenkst deine Titten überall rum, wackelst mit dem Hintern, bettelst drum   … du bist eine Schlampe, eine Nutte, eine Hure für sie   …«
    Sie unterbrach sich und zündete eine Zigarette an, sog den Rauch tief in die Lunge, hielt ihn dort fest, dann blies sie ihn ärgerlich wieder aus.
    »Es war schrecklich, Joe   … die Sachen, die sie sagten   … die andern Mädchen. Wie sie mich behandelt haben   … es hat richtig wehgetan. Ich hab mich fast jede Nacht in den Schlaf geweint. Das ist albern, ich weiß   … ich hätte es nicht an mich rankommen lassen sollen, aber es hat mich verletzt. Es verletzt mich noch immer.«
    Sie lag eine Weile still da und starrte ins Nichts, drückte ein geknotetes Taschentuch in der Hand zusammen und dann begann sie, mit einem komischen kleinen Schlucken am Anfang, wieder zu weinen. Ich tat nichts weiter dagegen, legte ihr nur meine Hand auf die Schulter. Ich weiß nicht, ob es sonderlich half, aber nach ein paar Minuten putzte sie sich die Nase, trocknete die Tränen ab, steckte eine weitere Zigarette an und fuhr fort mit ihrer Geschichte.
    |216| »Ich weiß nicht, wie es kam«, erzählte sie mir, »aber plötzlich veränderte sich alles. Niemand mochte mich mehr. Jeder hackte plötzlich auf mir rum – die Mädchen in der Schule, die Lehrer, sogar meine Eltern   … jeder hatte ständig was an mir auszusetzen, egal was ich tat   … ich konnte überhaupt nichts mehr richtig machen. Wenn ich mit Jungen ausging, war ich eine Nutte, wenn nicht, war ich frigide. Wenn ich fleißig lernte, war ich eine Streberin, wenn nicht, war ich dumm. Wenn ich mich zurechtmachte, war ich ein Flittchen, wenn ich mich betont lässig anzog, war ich eine Schlampe. Und es wurde immer schlimmer. Es wurde so schlimm, dass ich selbst nicht mehr wusste, wer ich war. Ich wusste nicht, was ich tat. Am Ende hab ich einfach aufgegeben. Ich glaube, ich dachte, wenn mich sowieso jeder hasst, kann ich mich auch selbst hassen. Also tat ich Dinge, nur um mich selbst zu hassen – ich hing mit den falschen Leuten rum, betrank mich andauernd, kam nächtelang nicht nach Hause, schlief mit jedem   …« Sie nahm einen langen Zug von ihrer Zigarette, dann drückte sie sie im Aschenbecher aus. »Wie auch immer«, sagte sie, »in dieser Zeit traf ich Iggy. Ich war mit ein paar Leuten, die ich kaum kannte, in diesen Club nach London gefahren. Dort hatte mich irgendwas fix und fertig gemacht und die andern waren auf und davon und hatten mich einfach allein zurückgelassen   … Irgendein schmieriger alter Kerl versuchte mich gerade zu überreden, mit ihm noch woanders hinzufahren, da taucht plötzlich Iggy auf   … Kommt einfach auf mich zu, so lässig, wie du’s dir nur vorstellen kannst, und flüstert dem ekligen alten Kerl was ins Ohr. Danach weiß ich nur noch, dass der schmierige Typ weg war und Iggy neben mir saß und mich fragte, ob mit mir alles in Ordnung sei. |217| Gott, er war so toll. Gute Klamotten, gutes Benehmen   … sauber, freundlich und fürsorglich.« Sie rieb sich die Stirn. »Die Sache ist die, er war wirklich nett. Charmant, höflich, lustig   … und er wollte auch nichts von mir. Hielt seine Hände bei sich und berührte mich nicht   … er versuchte nicht mal, mich voll zu labern. Sprach nur mit mir. Wollte alles Mögliche über mich wissen. Und hörte mir zu   … genau das war es. Ich konnte es kaum glauben. Seit Monaten hatte mir niemand mehr zugehört. Dann, nachdem ich stundenlang gequasselt hatte, fuhr er mich nach Hause – er brachte mich in seinem glänzenden schwarzen BMW den ganzen Weg bis nach Heystone, ließ mich am Ende der Straße raus und sagte Gute Nacht.«
    Sie unterbrach sich an dieser Stelle, den Blick ganz in Gedanken verloren, ließ die Erinnerungen kommen   … und ich saß nur da, schaute sie an und studierte die Landschaft ihres Gesichts: die Fülle ihrer Lippen, ihre Nase, ihre Augenlider, die schöne rosa Windung ihrer Ohren   …
    »Entschuldige bitte«, sagte sie und erhob sich vom Bett, »es dauert nicht lange – ich geh nur schnell ins Bad.«
    Sie ging um das Bett herum, nahm etwas vom Frisiertisch und verschwand dann

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