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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Ich hab ihm meine Telefonnummer gegeben   … ein großer Fehler   …« Sie seufzte, gähnte, legte sich aufs Bett und ließ ihren Kopf in meinem Schoß ruhen. Obwohl es immer kälter wurde im Raum, glänzten Schweißperlen auf ihrer Stirn. »Ja«, sagte sie, »der gute alte Iggy. Rief mich eine Woche nicht an   … ließ mich warten   …« Ihr Kopf beugte sich zurück und sie sah zu mir auf. »Genau wie du.« Sie lächelte.
    Ich nickte.
    Sie sagte: »Dann hat er angerufen   … mich eingeladen   … und das war’s. Clubs, Komplimente, Geld, Klamotten   … er hat mir alles gegeben, was ich wollte. Alles. Mir alles gesagt, was ich hören wollte – dass ich großartig wäre   … dass meine Eltern der letzte Dreck wären   … mich nicht verstanden   … dass ich eine
Frau
wäre   … jemand ganz Besonderes   …« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ich konnte nicht genug davon kriegen. Ich hing am Haken. |221| Er besaß alles – Geld, Drogen, Ansehen   … das war so
cool
, weißt du?« Ihre Stimme klang bitter und hart. »Dauernd zu koksen   … sich gut zu fühlen   … ab und zu ein bisschen Heroin, um zu relaxen   … dann ein bisschen mehr   … dann noch ein bisschen mehr   …« Sie sah mich wieder an. »Hast du es mal ausprobiert?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Tu’s nie – es ist scheiße. Es scheint wie das Beste auf der Welt   … es löscht alles aus, den ganzen Müll   … alles. Nichts bedeutet mehr was – heiß oder kalt, groß oder klein, gut oder schlecht   … es kümmert dich einfach nicht. Alles ist dir scheißegal. Es ist, als wärst du innerlich in die wärmste Decke eingehüllt, die du dir vorstellen kannst, du schläfst wie ein Engel   … ganz eingelullt in deine eigene kleine wunderbare Welt   … Und dann eines Tages wachst du auf und die Decke ist weg und du frierst so und fühlst dich leer   … du fühlst dich so schlecht   … du fühlst dich so schrecklich, dass du
alles
tun würdest, um dieses Gefühl wiederzukriegen. Und ich meine
alles,
wirklich alles   … denn es kümmert dich nicht, du
willst
nicht, dass es dich kümmert. Das Einzige, was du willst, ist dieses wunderbare,
wunderbare
Gefühl. Wenn also Iggy sagt, es ist kein Heroin mehr da und er ist pleite, deshalb kann er nichts mehr besorgen   … aber er kennt diesen Typen, diesen Freund von ihm, der mich mag   … und ich muss nur ein paar Stunden mit diesem Typen verbringen, dann haben wir genug Geld, um zu kriegen, was wir brauchen   … was
ich
brauche   …« Sie sprach jetzt in brüchigem Flüsterton. »Ich meine, das war doch nicht zu viel verlangt, oder? Ich musste nur mit dem Typen schlafen. Iggy machte das nichts aus   … er würde das Gleiche auch für mich tun. Warum sollte
ich
was dagegen haben? Wenn ich ihn liebte   … ich liebte ihn doch, oder? Und es war gutes |222| Geld   … leicht verdientes Geld   … und wahrscheinlich würde er irgendwas auftreiben können, was mich eine Weile ablenkte   …«
    Sie weinte wieder, aber ohne Tränen.
    Ich hielt ihre Hand.
    »Danach ist nichts mehr übrig«, sagte sie leise. »Das Geld geht immer wieder aus. Du tust immer wieder
Freunden
einen Gefallen   … weil du mehr Stoff brauchst   … weil du mehr Geld brauchst   … tust du immer mehr Gefallen   … und nach einer Weile weißt du gar nicht mehr, was geschieht. Du weißt nicht, was du tust. Du tust es einfach, tust, was du kannst   … haust in einem beschissenen kleinen Zimmer und schaffst den ganzen Tag auf der Straße und die ganze Nacht in Saunaclubs an und versuchst, nicht verrückt zu werden   …«
    Sie sprach noch ein paar stumme Worte, dann zitterten ihre Lippen, sie schloss ihre Augen und war still. Ich schaute auf sie herab, versuchte alles aufzunehmen – die Worte, die Bilder, das Leben   … versuchte zu verstehen, wie es wohl sein musste   … aber es gelang mir nicht. Es gelang mir nicht mal, mich anzunähern. Das Ganze lag jenseits von mir. Eine andere Welt. Eine Welt, von der ich nichts wusste. Eine Welt der Gewalt, des Schmerzes und der Dunkelheit. Ich fühlte mich so klein, so schwach, so dumm   …
    Was willst du?
    Ich öffnete den Mund, aber es kam nichts raus.
    Das Zimmer lag stumm da.
    Und ich wusste, was das bedeutete – die Stille. Ich wusste es, ohne zu verstehen. Es war eine Stille, die dazu da war, gebrochen zu werden. Ich spürte es in der Luft, in meiner Magengrube, im Innern meiner Knochen   …
    Die andere Welt kehrte zurück.
    |223|

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