Candy
Rest?«
Ich setzte mich auf und führte meine Hand zu ihrer Hüfte, wo ich – durch den dünnen Stoff ihres Nachthemds – ihre geschwollene, misshandelte Haut sah. Die Prellungen sahen aus wie Gewitterwolken – blauschwarz, violett, senfgelb.
Sie zuckte vor meiner Hand zurück.
»Entschuldigung«, sagte ich.
»Alles in Ordnung … ich hab nur … es ist nichts. Sieht schlimmer aus, als es ist.«
Eine Weile saß ich schweigend da, betrachtete Candy ohne Scham – ihr Haar gelöst auf dem Kopfkissen, die Ringe an ihren Ohren glänzten im schwachen roten Lichtschein … ihre Kette, ihr Hals, ihre schmalen Finger, die eine Falte des Lakens umfassten …
»Du musst das nicht machen, weißt du?«, sagte ich ihr.
»Was?«
»So tun, als ob es dir gut geht, als ob alles in Ordnung ist. Du musst vor mir nichts verstecken.«
»Tu ich auch nicht«, sagte sie leise. »Ich versteck es vor mir. Das ist die einzige Möglichkeit …«
»Nein, ist es nicht.«
Sie seufzte. »Du weißt nicht, wie das ist, Joe. Du verstehst das nicht.«
»Vielleicht würde ich’s, wenn du’s mir erzählst.«
Sie rollte sich auf ihre Seite und sah mich an. Ich spürte die Intensität in ihrem Blick, als sie tief in mich hineinschaute und nach |213| Antworten suchte. Konnte sie mir vertrauen? Wollte sie es? War es die Sache wert?
»Versprich mir was«, sagte sie.
»Was?«
»Misch dich nicht ein. Ich erzähl dir, so viel ich kann, aber nur, wenn du mir versprichst, dass du dich raushältst. Ich will nicht, dass du versuchst, etwas für mich zu
tun
– einverstanden?«
Ich nickte.
Sie sah mich zweifelnd an. »Ich meine es ernst, Joe. Du darfst dich nicht einmischen.«
»Ich tu’s nicht.«
»Versprichst du’s?«
»Ja.«
»Sag es.«
»Also gut – ich versprech’s. Okay?«
Wieder ein Blick, diesmal von einer flüchtigen Traurigkeit berührt, dann holte sie tief Luft, drehte sich auf den Rücken und fing an zu erzählen.
Das ist es, was sie mir erzählte:
Alles begann vor etwa vier Jahren. Sie war schon immer ein gut aussehendes Mädchen gewesen, eines von denen, auf das Mütter stolz sind und das Väter glauben beschützen zu müssen, aber als sie ungefähr zwölf oder dreizehn war, blühte sie plötzlich zu einem Mädchen auf, dem Männer nicht widerstehen können, und da fing der Ärger an.
»Ich geb nicht an mit meinem Aussehen«, sagte sie zu mir. »Ich bin nur ehrlich. Ich weiß, wie ich aussehe. Ich bin schön. Ich weiß |214| es heute und ich wusste es auch damals.«
Anfangs bereitete ihr das keine Probleme. Warum auch? Ein schönes Mädchen mag jeder. Und gescheit war sie auch. Intelligent, beliebt, gut im Sport. Sie hatte ein ausgesprochen angenehmes Zuhause, besaß alles, was sie brauchte, und die meiste Zeit kam sie mit ihren Eltern einigermaßen klar. Ihr Vater war Manager einer multinationalen I T-Firma , deshalb war er nicht so oft zu Hause, wie er es hätte sein sollen, und ihre Mutter hatte mitunter psychische Probleme, aber alles in allem war es nicht sonderlich schlimm.
Doch dann begann die Eifersucht.
»Zuerst hab ich es gar nicht gemerkt«, erklärte Candy. »Ich war mit den andern Mädchen auf der Schule immer gut zurechtgekommen … ich hatte zwar keine richtig engen Freundinnen, aber wir waren eine Gruppe, die gemeinsam rumhing, und das war die meiste Zeit völlig okay. Wir unternahmen nicht sonderlich viel … weißt du, wir redeten einfach über Jungs, die wir besonders mochten, sagten, was wir tun würden, was nicht … solche Sachen eben. Es war okay. Keine Probleme. Das meiste war sowieso nur Gerede. Manchmal gingen wir alle zusammen in einen Pub und ab und zu verschwand vielleicht schon mal eine für eine Stunde oder so mit jemand, doch änderte sich dadurch nie was zwischen uns. Es tangierte unser Verhältnis nicht. Verstehst du, was ich meine?«
Ich nickte.
Sie fuhr fort. »Aber an diesem Punkt hört es eben nicht auf. Es muss immer ernst werden. Plötzlich rufen dich Jungen an und wollen sich mit dir verabreden. Männer sehen dich mit anderen Augen an. Du tust plötzlich irgendwelche Dinge und triffst dich |215| an schönen Orten … das findest du super. Es
ist
super. Es ist aufregend. Du bist begeistert. Und weil du begeistert bist, willst du all deinen Freundinnen davon erzählen. Aber wenn du es tust, sind sie nicht
mit
dir begeistert, sondern schleudern es dir zurück ins Gesicht. Sie mögen es nicht, dass du etwas tust, was sie nicht tun. Sie
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