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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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sie, trat zurück und traf auf die geschlossene Tür. Sie hatte offenbar erwartet, daß sie offen sein würde – als ob dies keine Nervenheilanstalt wäre, und als ob die Patienten sich nach Belieben auf dem Korridor aufhalten durften. Sie wirbelte herum und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Dabei schrie sie wie rasend: »Laßt mich hier raus!«
    Sie ließen sie raus, die großen Männer mit dem angenehmen Lächeln, die außerdem Link täglich fünfmal ins Badezimmer brachten, weil er irgendwie nicht mehr bemerkte, wann es nötig war. Und als sich die Tür hinter ihr schloß, stand Link immer noch da und wußte nicht, was er tun sollte, und er wußte nicht, warum er die Hände ausgestreckt hielt und diese sich anschickten etwas Rundes zu umklammern, etwas Vertikales, Zylindrisches, etwas vielleicht, das wie die Kehle eines Menschen aussehen konnte.
     
    *
     
    Auf verwirrende Weise schön und gelassen saß Mrs. Danol in Doktor Horts Büro, und Hort fragte sich, ob es dieselbe Frau war, die noch vor Minuten weinend im Arm eines der Wärter gelegen hatte.
    »Das einzige Wichtige ist für mich ist mein Sohn«, sagte sie. »Sieben schreckliche Monate lang war er weg, war er verschwunden, und ich weiß nur, daß ich ihn wiedergefunden habe und mit nach Hause nehmen will. Zu mir!«
    Hort seufzte. »Mrs. Danol, Linkeree ist geistesgestört und kriminell. Dies ist eine Regierungs einrichtung, falls Sie sich daran erinnern. Er hat ein Mädchen ermordet.«
    »Sie hat es wahrscheinlich nicht besser verdient.«
    »Sie hat ihn sieben Monate lang unterstützt und für ihn gesorgt, Mrs. Danol.«
    »Sie hat ihn wahrscheinlich verführt.«
    »Sie hatten ein recht aktives Sexualleben, an dem sie beide eifrig teilnahmen.«
    Mrs. Danol sah entsetzt aus. »Hat mein Sohn Ihnen das erzählt?«
    »Nein, die Mieter unter ihnen haben es der Polizei erzählt.«
    »Sie wissen es also nur vom Hörensagen.«
    »Auf diesem Planeten hat die Regierung nur einen sehr begrenzten Etat. Die meisten Leute leben in Wohnungen, in denen eine Privatsphäre nur schwer gewahrt bleiben kann.«
    Und es schauderte Mrs. Danol, anscheinend vor Ekel über die mißliche Lage der armen Elenden, die sich im Regierungswohnblock in der stumpfsinnigen Hauptstadt dieser stumpfsinnigen Kolonie zusammendrängen mußten.
    »Ich wünschte, ich könnte hier weg«, sagte sie.
    »Es wäre gut gewesen, wenn Sie es hätten früher tun können«, antwortete Hort. »Ihr Sohn haßt diese Welt. Oder besser, er haßt, was er von dieser Welt sieht.«
    »Nun, das kann ich gut verstehen. Diese scheußlichen wilden Menschen – und die Leute in der Stadt sind nicht viel besser.«
    Hort amüsierte sich über ihren umgekehrten Demokratiebegriff – Sie schätzte alle Leute als ihr unendlich unterlegen und deshalb einander gleich ein. »Dennoch muß Linkeree hierbleiben, und wir müssen versuchen, ihn zu heilen.«
    »Das ist alles, was ich mir für meinen Jungen wünsche. Daß er wieder der nette, liebe Junge wird, der er einmal war – ich kann nicht glauben, daß er sie wirklich getötet hat!«
    »Siebzehn Zeugen haben gesehen, daß er sie erdrosselte, und zwei davon mußten ins Krankenhaus, weil er sich auf sie stürzte, als sie ihn von der Leiche wegrissen. Er hat sie ganz bestimmt getötet.«
    »Aber warum«, sagte sie erregt, und ihre Brüste hoben und senkten sich vor Leidenschaft derart, daß Hort wieder amüsiert war – er hatte in seinem Leben schon viele solche Exhibitionisten für den Hausgebrauch kennengelernt. »Warum sollte er sie umbringen?«
    »Weil sie, Mrs. Danol, abgesehen von ihrer Haarfarbe und davon, daß sie einige Jahre jünger war, genauso aussah wie Sie.«
    Mrs. Danol fuhr hoch. »Mein Gott, Doktor, das ist doch wohl ein Scherz!«
    »Das einzige, an dem Link seit seiner Ankunft hier unbeirrt festhält, ist seine feste Überzeugung, daß Sie es waren, die er getötet hat.«
    »Das ist entsetzlich. Das ist widerwärtig.«
    »Manchmal weint er und sagt, daß es ihm leid tut und daß er es nie wieder tun wird. Meistens aber lacht er ganz fröhlich darüber, als ob es ein Spiel wäre, das er nach vielen Mißerfolgen endlich gewonnen hat.«
    »Ist es das, was man auf diesem gottverlassenen Planeten unter Psychologie versteht?«
    »Es ist das, was man auf Capitol selbst unter Psychologie versteht. Sie wissen doch, wo ich mein Examen gemacht habe. Ich versichere Ihnen, daß ich kein Wort davon erfunden habe.«
    Und verdammt noch mal, dachte er, warum lasse ich

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