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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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vormachen.«
    »Ich werde Sie niemals belügen, Mutter.«
    »Ich weiß genau, daß ich nur dem Namen nach Kaiserin bin. Sie brauchen also nicht so gönnerhaft zu tun. Sorgen Sie lieber dafür, daß die schlampige Arbeit des Kabinetts mich nicht immerzu daran erinnert. Ist das klar?«
    »Vollkommen klar.«
    »Und dieser Assistent des Kolonialministers. Er war erfrischend. Ich will, daß er bei meinem nächsten Erwachen wach ist und bereit ist, sich mit mir zu treffen. Er soll seinen Job behalten. Zweifellos ist er sein Geld nicht wert, aber ich mag ihn.«
    Der Kanzler nickte.
    »Reichen Sie mir Ihren Arm. Zur Hölle mit dem Protokoll. Wir gehen jetzt zur Party.«
    Nab sah sie gehen.
    »Bin ich wirklich gefeuert?« fragte Dent.
    »Ja, mein Junge. Ich hatte dich gewarnt. Du mußt dich natürlich verhalten. Ziemlich schlimm das Ganze. Dabei hatte ich gehofft, aus dir könnte was werden.«
    »Und was soll ich nun tun?«
    Nab zuckte die Achseln. »Für die Leute, die Mutter feuert, stehen immer gute Jobs zur Verfügung. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    »Ich könnte sie umbringen.«
    »Warum? Sie hat dir doch einen Gefallen getan. Jetzt brauchst du nicht mehr zuzuschauen, wie sie sich bei jedem Erwachen wichtig tut. Die alte Sau. Ich wünschte, daß sie zehn Jahre schliefe.«
    Dent war überrascht. »Du haßt sie also wirklich, nicht wahr?«
    »Ob ich sie hasse? Doch, ich glaube schon.« Und Nab wandte sich ab. »Mach, daß du rauskommst, Dent. Wenn sie dich hier noch sieht, werde ich auch gefeuert.«
    Dent ging, und Nab sah in die Akten, um den nächsten armen Narren auszusuchen, der sich daranwagen mußte, Mutter befriedigende Auskunft zu erteilen. Er brauchte einen Assistenten. Die Dummheit der Assistenten ließ Nab immer ein wenig besser aussehen.
    Hasse ich sie wirklich, überlegte sich Nab.
    Er war sich nicht schlüssig. Er wußte nur noch, daß er sie am Vormittag beobachtet hatte, als sie nackt auf dem Bett lag. Haß hatte er dabei nicht empfunden.
     
    *
     
    Die Party zog sich in die Länge und war genauso langweilig, wie es alle anderen gewesen waren, aber Mutter wußte, wie wichtig es war, sich sehen zu lassen. Sie mußte sich bei jedem Erwachen zur festgesetzten Zeit zeigen, denn sonst könnte man sie verschwinden lassen, ohne daß es jemand merkte. So machte sie die Runde und begrüßte freundlich die jungen Mädchen, die gerade das Somec-Alter erreicht hatten. Sie begrüßte die Tagediebe und Lakaien, die bei Hofe herumhingen, und die alten Männer und Frauen, die schon vor Jahrhunderten, als sie noch jung waren, Mutters Bekanntschaft gemacht hatten.
    Sie war allen ein lebender Vorwurf. Ganz gleich, welche Somec-Ebene die einzelnen erreicht hatten, ihre eigene lag höher. Ganz gleich, wie viele Jahrhunderte vergingen, bis sie alt wurden, keiner von ihnen würde jemals Mutter altern sehen. Ich werde ewig leben, rief sie sich ins Gedächtnis zurück.
    Aber während sie die Leute beobachtete, die diese Party tatsächlich für wichtig hielten, machte sie der Gedanke, ewig leben zu können, sehr müde.
    »Ich bin müde«, sagte sie zum Kanzler, der sofort ein Zeichen gab, worauf das Orchester mit einer lebhaften Musik einsetzte, die schon vor Äonen komponiert worden war (diese Musik war schon alt als ich noch Kind war, dachte sie), und dann defilierten die Gäste an ihr vorbei, und es dauerte eine Stunde, bis sie jeden einzelnen verabschiedet hatte und der letzte endlich verschwand.
    »Es ist vorüber«, seufzte sie. »Dem Himmel sei Dank.« Und sie ging nach oben in den Raum, wo Arbeiter offensichtlich etwas aus den Wänden gerissen hatten. Man tut so, als hätte man die Aufzeichnungsgeräte ausgebaut, befand sie, und es amüsierte sie, daß man sie so leicht hinters Licht führen zu können glaubte. Dieser Nab – ein gescheiter Kerl. Aber auch ein ausgebuffter Hund. Bei solchen Leuten wußte man, woran man war. Er würde seinen Dienst noch eine ganze Weile versehen.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und bürstete sich das Haar, nicht weil es nötig war, sondern weil es ihr eben so einfiel. Sie betrachtete sich in dem großen Spiegel und stellte stolz fest, daß ihr Körper noch straff war. Daß sie wenn auch nicht mehr jung, so doch begehrenswert war. Ich bin Doon gewachsen, sagte sie sich. Ich bin immer noch jedem Mann gewachsen, den meisten mehr als gewachsen. Ich habe jedes Spiel mitgespielt und immer gewonnen, und wenn ich jetzt auch nur noch Gallionsfigur bin, dann jedenfalls eine, vor der man

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