Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
sich hüten muß. Und Doon – ein Verbündeter. Er war auf ihrer Seite. Ihm konnte sie trauen.
    Konnte sie das wirklich?
    Sie legte sich im Bett zurück und schaute zur Decke, auf die ein Fresko gemalt war, das die Kopie einer alten, vor langer Zeit auf der Erde zu Staub zerfallenen Malerei darstellte. Ein nackter Mann reckte den Arm empor und berührte den Finger Gottes. Sie wußte, daß es Gott war, denn seine Gestalt war so furchteinflößend wie keine andere an der Decke, und er mußte einfach Gott sein. Ich war das, dachte sie. Ich war die Gründerin. Ich habe Finger berührt und den Dingen Leben eingehaucht. Nun ist Doon am Werk. Gibt es Platz für uns beide?
    Ich werde Platz schaffen, beschloß sie. Er wird sich nie von mir bedroht fühlen. Denn er könnte gewinnen, und das wäre schlimm, und es wäre noch schlimmer, wenn ich gewönne, denn ich bin faul und völlig am Ende, und er fängt erst an. Wir wollen also Verbündete sein, und ich werde ihm trauen, und er wird mir trauen, und ich werde etwas Neues im Universum entdecken, eine Schöpfung, die vielleicht besser sein wird als meine.
    »Hättest du darauf gehofft?« fragte sie den bärtigen Mann an der Decke. »Auf jemanden, der besser ist als du? Oder hast du sie alle auf ihre wahre Größe zurückgestutzt, wenn sie zu mächtig wurden?« Sie erinnerte sich an eine Geschichte über Menschen, die einen Turm bauten, um die Sterne zu erreichen. Gott hatte das Unternehmen vereitelt, wie sie noch wußte. Nun, am Ende sind wir doch zu den Sternen gelangt, aber du hattest dich schon entfernt und uns Raum geschaffen.
    Ich werde mich auch entfernen und Doon Raum schaffen. Aber er sollte sich verdammt hüten, mich zu vergessen.
     
    *
     
    »Die Alte schläft, Crayn. Rufen Sie die Schlafsaalwärter.«
    Die neue Assistentin, ein nervöses Mädchen, das, wie Nab wußte, hier nicht alt werden würde, rief die Leute, die schnell aber lautlos in den Raum eilten, Mutters Gehirninhalt aufzeichneten und ihr Somec verabfolgten. Als Mutter versorgt war, kam Nab herein.
    »Geben Sie mir das Band«, sagte er, und sie gaben es ihm, denn er verschloß es jedesmal in einem Spezialtresor. Und dann schoben sie sie hinaus, damit sie in ihren privaten Schlafraum gebracht werden konnte, der in einer isolierten Gegend Capitols lag. Dort sollte sie in ihren Sarg gelegt werden. Alles natürlich unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen.
    Aber Nab hielt immer noch ihr aufgezeichnetes Gedächtnis in der Hand. Sie hatte mit Doon geschlafen, das wußte er. Wie der Knirps dazu gekommen war, wußte er nicht, aber sie hatte mit ihm geschlafen, konnte ihn gut leiden und hatte ihn gebeten, sich beim nächsten Erwachen mit ihr zu treffen. Und er, Nab, hatte ihr Band. Was hätte ihn schon davon abhalten können, es versehentlich zu zerstören? Und dann würde sie aufwachen und sich an diese Wachperiode nicht mehr erinnern können. Man würde das Band vom Erwachen davor benutzen müssen.
    Es zu löschen dürfte nicht schwierig sein, dachte er, und er brachte das Band in den Kontrollraum. »Sie können gehen, Crayn«, sagte er. »Ich schließe selbst ab.«
    »Was für ein Tag«, sagte Crayn, als sie ging.
    Die Tür schloß sich hinter ihr, und Nab fand das Löschgerät für die normalen Aufzeichnungen. Das konnte man auch für ein Band mit aufgezeichnetem Gehirninhalt verwenden. Er hätte es auch getan, wenn nicht in diesem Augenblick eine Nadel abgefeuert worden wäre, die ihn tötete.
    Mutters kleine Knaben schafften die Leiche fort und beseitigten sie. Das Band mit Mutters Gehirninhalt wurde Leuten zur Aufbewahrung gegeben, die sich nie an ihm vergreifen würden. Es wurde schärfstens bewacht. Wie aber hatte Abner Doon wissen können, daß Nab so etwas tun wollte? Der Mann war wie ein Polyp, überall hatte er seine Fangarme. Aber deshalb gehorchten Mutters kleine Knaben ihm auch. Er irrte sich nie.
     
    *
     
    Mutter hatte noch nicht geschlafen, als die Leute kamen, die ihren Gehirninhalt aufzeichnen wollten. Aber sie lag schlaff da, um deren Verrichtungen über sich ergehen zu lassen.
    Heute habe ich meinen Nachfolger kennengelernt und den ersten Mann außer Selvock, der mich lieben durfte. Heute habe ich fast das ganze Kabinett gefeuert, weil sie alle Narren und Betrüger waren. Heute habe ich Crove erlebt, wie es aussah, als es noch schön war.
    Heute gab es mehr Abwechslung als gestern oder als vor drei Wochen oder acht Monaten.
    Vor acht Monaten. Es war erst acht Monate, erst tausend Jahre her,

Weitere Kostenlose Bücher