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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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ahnen können, was vor meinen Augen geschah. Rosana hatte es mir damals in ihrer Hütte erklärt, aber in diesem Moment, gegenüber dem Glanz, den Sowanje mit ihrem Zauber verbreitete, wollten sich die Gedanken in meinem Kopf nicht zur Ordnung drängen lassen. Ich war in heller Aufruhr darüber, dass vor meinen Augen ein Schwert entstand, mit dem ich den Lichtträgern würde schaden können. Mein Herz schlug wild und unbändig, vermutlich bereitete ich Arun sogar Schmerzen, weil ich meine Finger so tief in sein Fleisch grub, doch ich konnte nicht anders. Ich war überwältigt. Schlicht überwältigt.
    Der Glanz um Sowanje wurde mit einem Mal so gleißend, dass ich die Augen abwenden musste. Es gab ein Geräusch, als würde ein gewaltiges Wesen einatmen. Wind kam auf, riss an meiner Kleidung, stob durch den Wald, den Apfelbaum und wirbelte seine Blütenblätter durch die Luft.
    Als sich das Brausen legte, schwand auch das Leuchten. Ich blinzelte gegen die Lichtpunkte, die noch immer vor meinen Augen tanzten, und starrte angestrengt auf den aufgewühlten Schnee, wo Sowanje gestanden hatte.
    Sie war fort. Die ehrwürdige Zauberin war nicht mehr. Hinter mir stieß Ghalla einen erstickten Schrei aus und sank in die Knie. Erschüttert starrte ich auf das Schwert.
    Rosana hatte es mir erklärt, anhand einer einfachen Glasscherbe in ihrer Küche, und endlich senkte sich die Erkenntnis mit vollem Grauen über mich. Ich begann zu zittern.
    Sowanje hatte das Schwert unzerstörbar gemacht, indem sie ihren eigenen Geist darin gefangen hatte. Sie hatte ihr Leben dafür gegeben, dass ich Marmon und seinen Lichtträgern gegenübertreten konnte.
    Das Zittern in meinen Gliedern wurde stärker. Ghallas Schluchzer zerrten an meinem Herz wie Reißzähne.
    Ich machte mich von Arun los und trat einen Schritt auf das Schwert zu. „Das … das wollte ich nicht“, flüsterte ich mit erstickter Stimme. Ich drehte mich zu Arun um. „Das wollte ich nicht“, rief ich, als könne er die Schuldgefühle von mir nehmen.
    Der Dämon sah mich ernst an. „Sie hat es so gewollt.“ Er nickte in Richtung des Schwertes. „Nimm ihr Geschenk an. Mach, dass es ihr Opfer wert war.“
    Ich kämpfte mit den Tränen, wandte mich jedoch der Waffe zu. „Ihr Götter“, flüsterte ich von Ehrfurcht ergriffen. Und für einen Moment vergaß ich alles um mich herum.
    Das Schwert funkelte, als habe Sowanje die Sterne vom Himmel geholt und in Glas gebannt. Ein starkes, machtvolles Glühen erfüllte es vom Heft bis zur Spitze, pulsierte in kaltem Glanz wie ein lebendiges Wesen. Und es war mein. Meine Waffe, meine Rache, mein Zorn in einem gläsernen Schwert.
    Langsam trat ich vor, bückte mich und legte meine Hand um das Heft. Es war ein Gefühl, als würden die Teile eines Puzzles endlich an ihre zugestimmte Stelle gerückt, als würden die Wände eines Labyrinths sich neu formieren und mir den Weg in ihr Innerstes weisen. Ich sah einen gewaltigen Berg vor mir, so hoch, dass sein Gipfel die Wolken überragte, am Rande eines sturmgepeitschten Ozeans. Dort würde ich hingehen. Dort lag mein Ziel, mein Zweck. Dort würde ich kämpfen und entweder siegen oder sterben.
    Die nächsten Stunden hatten etwas von einem Alptraum an sich. Arun kümmerte sich um Ghalla, doch die alte Frau blieb untröstlich. So schön es war, sie singen zu hören, so grausam war es, wenn sie weinte.
    Ich wollte nicht länger an diesem Ort bleiben, zum einen, weil das Schwert mich von hier fortzog, und zum anderen, weil es Ghalla sichtlich Schmerzen bereitete, die glitzernde Waffe in ihrer Nähe zu haben. Arun und ich beschlossen, dass wir den Wald bei Anbruch des Tages verlassen würden.
    Als es soweit war und die ersten goldenen Strahlen die Bäume erreichten, versammelten wir uns ein letztes Mal unter dem Apfelbaum vor der Hütte. Ghalla hatte sich in ihre Felle gehüllt und ging schwer auf Sowanjes Stab gestützt. Sie sah aus, als sei sie über Nacht um zehn Jahre gealtert. Selbst ihre Stimme war rau und brüchig. Ein letztes Mal strich sie über das glänzende Schwert.
    Ich schluckte schwer. „Ist sie … ist sie nun für immer … tot?“
    Ghalla schüttelte den Kopf. „Wenn du Erfolg hast“, sagte sie leise, „dann versprich mir, dass du sie zu mir zurückbringst. Damit ich sie freilassen kann.“
    Ich nickte. „Bei allem, das ich liebe. Ich schwöre es.“
    Ghalla senkte den Kopf und trat zurück. „Dann kannst du gehen. Und vergiss nicht, Sowanje wird dich leiten, wenn sie kann.

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