Caras Gabe
dorthin. Ich setzte mich, schob meine Hände zwischen die Knie und versuchte krampfhaft mich zu erinnern, welche Fragen ich der Heilerin hatte stellen wollen.
Ich spürte ihren Blick auf mir. „Kummer wegen der Männer?“, fragte sie unvermittelt.
Ich sah auf und musste lachen, obwohl mir plötzlich zum Weinen zumute war. Seufzend nickte ich. „Auch.“
Rosana legte einen Arm um meine Schultern und zog mich zu sich heran. Sie duftete nach Heilkräutern und Rauch. Ihr krauses Haar kitzelte meine Wange.
Sie stupste mich leicht an. „Na, sag schon. Was wiegt dir so schwer auf dem Herzen?“
Meine Brust fühlte sich eng an und auf einmal hatte ich einen Kloß im Hals. „Es … es ist so, dass …“ Ich atmete zitternd ein, setzte mich auf und sah Rosana in die Augen. Grün wie der Frühling waren sie.
Und dann sprudelten die Worte nur so aus mir heraus, viel mehr, als ich in mir vermutet hätte. Ich erzählte Rosana von der Begegnung mit Marmon, von Sowanje und Ghalla und dem Schwert, das sie für mich schmiedeten. Ich erzählte ihr von der Prophezeiung und davon, wie Arun mir berichtet hatte, so viel er ertragen konnte, von dem vergifteten Wein, der Entführung durch die Lichtträger und davon, wie es sich angefühlt hatte, Aruns Schreien im Kerker zu lauschen. Schließlich schniefte ich und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel.
Rosanas Augen waren groß wie Teller geworden. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Deshalb fehlt dem Fürsten ein Ohrläppchen“, murmelte sie zu sich selbst.
Gegen meinen Willen musste ich lachen.
„Und nun“, beendete ich meine Geschichte, „zögere ich Arun Fragen zu stellen, egal wie abwegig sie sein mögen, aus Angst, dass er dafür bestraft wird. Ich … ich kann ihn einfach nicht fragen, weil … weil er … er hat furchtbare Schmerzen erleiden müssen, nur um mir einen Bruchteil der Prophezeiung zu erzählen. Rosana, ich könnte es nicht ertragen, wenn er das noch einmal durchmachen müsste, nur weil ich so verdammt neugierig bin.“
Rosana hielt meine Hände in ihrer Hand und mit der anderen strich sie über mein Haar. Mittlerweile war es wieder so lang, dass es bis knapp über meine Augenbrauen reichte. Bilder von Arun im Mondlicht entstanden vor meinem geistigen Auge, als er mein Haar für mich geschnitten hatte, über dem Teich der Mondgöttin Evaja.
„Hm“, machte Rosana und hob eine Augenbraue. „Es ist dein Leben und deine Zukunft, Cara. Du hast jedes Recht, weit mehr als nur neugierig zu sein.“
Ich lachte unglücklich auf. „Ja, da hast du wohl Recht.“
Wir schwiegen eine Weile, dann fragte Rosana: „Hast du jemals daran gedacht, dass Arun sich nur so sehr um dich sorgt und kümmert, weil es ihm hilft, seinen Auftrag zu erfüllen?“
Ich stutzte. Daran hatte ich nie zuvor gedacht. „Nein!“ Vehement schüttelte ich den Kopf und musste augenblicklich lächeln. „Nein, ich weiß, dass es nicht so ist.“ Die Freude darüber rauschte durch meinen Körper und fegte alle lauernden Tränen fort. „Er liebt mich aufrichtig“, sagte ich leise.
Rosana nickte schwer und strich mir eine kurze Strähne hinters Ohr. „Deinen Glauben zu haben“, sinnierte sie und seufzte. „Liebst du ihn auch?“
Die Frage traf mich unvermittelt, obwohl ich sie hätte erwarten sollen. Ich sah zur Seite, starrte auf die Risse im Kopfsteinpflaster und die Formen der Eiskristalle, die sich darüber zogen wie ein Spinnennetz. Keine Antwort wollte über meine Lippen kommen.
Rosana drängte mich nicht. Sie fischte einige getrocknete Pfefferminzblätter aus einem ihrer unzähligen Taschen, zerrieb sie zwischen ihren Fingern und roch daran. „Hmmm“, machte sie genüsslich und lehnte sich auf der Bank zurück. „Was sind das für Fragen, die du dich nicht traust Arun zu stellen?“
Ich setzte mich aufrechter hin. „Ich will mehr über Marmon wissen, über die Prophezeiung und ihren Ausgang.“
Rosana sah bestürzt auf und blickte rasch zu Boden. Sie legte beide Hände an ihren Kopf und schüttelt ihn, dass ihre roten Locken flogen.
„Was ist?“, fragte ich erschrocken.
Mit einem frustrierten Knurren blickte Rosana auf. Sie sah wilder aus als je zuvor. „Dein Dämon war hier“, sagte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, „und hat mir verboten, dir etwas zu verraten. Oh, er tat es nicht gerne“, fügte sie rasch hinzu, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. „Sein Auftrag verlangt es von ihm. Glaub mir“, sie schnaubte, „er bestraft sich selbst
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