Caras Gabe
gefoltert worden. Er hatte mir die schönsten Freuden geschenkt, hatte mir beigebracht zu kämpfen. Ich würde ihm auf keinen Fall noch mehr Schmerzen bereiten, sondern ihm stattdessen seine Geheimnisse lassen.
Wir standen lange so da, bis Arun sich plötzlich versteifte und mich hinter sich schob. Ich fand die Geste albern, doch ich ließ ihn gewähren, obwohl ich schon längst wusste, wessen Anwesenheit er gespürt hatte.
Die Schritte des Engels waren lautlos, nur das leise Klirren seiner Flügel verriet ihn. Ein leises Klirren wie Eiszapfen, die leise im Wind schaukelten.
Mondlicht splitterte von seinen Flügeln, als er die tiefhängenden Zweige einer Eiche umrundete. Sein Gesichtsausdruck war freundlich, doch seine Haltung wirkte angespannt. Zu Recht, wenn man Arun betrachtete, der aussah, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzten.
Langsam trat ich hinter Arun hervor und legte ihm eine Hand auf den Arm. Seinem Gesichtsausdruck zufolge hätte er mich am liebsten in Finsternis gehüllt und weit fortgebracht, doch er beherrschte sich.
Lurians Blick huschte von Arun zu mir und blieb schließlich an Arun haften. Er machte einen letzten Schritt auf den Dämon zu, bis er den Kopf senkte und eine Verbeugung andeutete.
„Ich sollte mich bei dir entschuldigen“, sagte er mit sanfter Stimme. „Aber das werde ich nicht tun.“
Arun knurrte leise.
„An dem erbärmlichen Mordanschlag des Fürsten war ich nicht beteiligt, das muss dir klar sein.“
Ein verächtliches Schnauben drang aus Aruns Kehle. Ich sah vom einen zum anderen und kam mir langsam, aber sicher vor wie ein kleines Mädchen, deren Eltern über ihren Kopf hinweg entschieden.
Lurian wies mit einem Flügel auf mich. „Ich will mit ihr sprechen.“ Abwehrend hob der Engel die Hände, als Arun einen blitzartigen Schritt auf ihn zu machte. Brodelnde Schatten sammelten sich um ihn.
„Du weißt, ich muss das tun“, beeilte Lurian sich zu versichern. „Ich werde sie nicht fortbringen.“
„Das würde dir ohnehin nichts nützen“, entgegnete Arun zähnefletschend. Dann wurde er schlagartig ernst. „Hör gut zu, Engel. Mir ist klar, welche Rolle du dir in all dem nur zu gerne zuschreiben würdest. Doch ich schwöre dir, wenn du ihr ernsthaft schadest oder lügst, dann werde ich dafür sorgen, dass dein Leben nichts anderem dient, als ein abschreckendes Beispiel für jene zu sein, die es wagen, einen Varuh zu verärgern.“
Selbst mir kroch bei Aruns Worten eine Gänsehaut über den Rücken, doch Lurian hob bloß eine Braue. „Ich nehme deine Besorgnis zur Kenntnis, Dämon“, bemerkte er steif, „doch deine Bedenken sind unbegründet. Du vergisst, dass wir auf derselben Seite stehen.“
Arun lachte. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals, dass die Eiszapfen von den Zweigen brachen. Selbst Lurian wirkte eine wenig verunsichert gegenüber dieser ausgelassenen Geste. Er warf mir einen fragenden Blick zu. Ich sah ihm unbewegt entgegen, zuckte lediglich mit den Schultern.
Nur langsam ebbte Aruns Gelächter ab. Er nahm einen tiefen Atemzug und verbeugte sich zu unser aller Erstaunen vor Lurian. „Wenn du das glaubst, ehrwürdiger Engel, dann habe ich nichts zu befürchten. Cara“, noch immer grinsend wandte er sich an mich. „Willst du dir anhören, was er zu sagen hat?“
Ich verkniff es mir, die beiden Streithähne darauf hinzuweisen, dass ich meine Entscheidung ohnehin ungeachtet ihrer Ansichten treffen würde. Für mich stand fest, dass ich Lurians Worte hören wollte. Dennoch stemmte ich eine Hand in die Hüfte und musterte den Engel von oben bis unten. Schließlich nickte ich.
Erleichterung huschte über Lurians Gesicht, doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und nickte bemessen.
Ich seufzte, ohne es zu wollen. Dann ging ich zu Arun, beugte mich zu ihm und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Doch das schien dem Dämon nicht genug zu sein, besonders nun, da Lurian zusehen musste. Er fasste meinen Hinterkopf und küsste mich auf eine Art, dass mir schwindelig wurde.
Schwer atmend ließ er schließlich von mir ab. Meine Hände hatten sich ohne mein Wissen in seinem Haar vergraben. Ich räusperte mich, warf Arun einen tadelnden Blick zu, gegen den er absolut immun war, glättete meine Kleidung und wandte mich an Lurian.
Der Engel lächelte. Er stand einfach im Schnee und grinste mich an. Seine verdammte Selbstsicherheit verstörte mich. Etwas unwirscher als notwendig bahnte ich mir einen Weg durch Schnee und
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