Caras Gabe
an. Ich bin entstellt. Sieh mich nicht an!“
Seine Hände umspannten mein Gesicht, fuhren durch mein verbliebenes Haar und hielten meinen Kopf so, dass ich ihn ansehen musste. Er musterte mich mit einer Intensität, die mich stillhalten ließ. Seine Stirn war vor äußerster Konzentration zerfurcht.
„Bitte“, sagte ich heiser, „schneide es ab.“
Überraschung trat in seine Augen. „Weshalb?“
Ich kämpfte gegen die Tränen, die mich zu ersticken drohten. „Hast du ein Messer? Gib es mir.“
„Cara!“
Ich riss mich von ihm los, taumelte einen Schritt zurück. „Gib es mir“, forderte ich und streckte die Hand aus.
Er stand reglos da und schaute mich an. Die Scham über mein Aussehen brachte mich beinahe dazu, den Blick abzuwenden, um mich für immer in der Erde zu vergraben. Die Dämonen liebten das Schöne. Mich nicht.
Arun atmete tief ein. „Komm“, sagte er. Dann drehte er sich um und verschwand zwischen den Tannen.
Vor Verwunderung zögerte ich, doch dann lief ich ihm nach. Sein Umhang flatterte vor mir durch die Stämme und ich folgte. Immer wieder ging meine Hand zu meinem Hals und jedes Mal musste ich einen Schmerzlaut unterdrücken. Wenn es doch einfach nur Haar gewesen wären. Doch meine Locken waren meine Waffe gewesen, die einzige, die ich besaß. Indem meine Mutter sie abgeschnitten hatte, hatte sie mich meiner Kraft beraubt.
Ich ballte die Hände zu Fäusten und entließ einen Wutschrei in den nächtlichen Wald. Arun schnellte herum, im nächsten Moment lag seine Hand über meinem Mund.
„Nicht hier“, sagte er drohend. Er bleckte die Zähne, als müsse er sich gewaltsam unter Kontrolle bringen. „Niemals hier.“
Ich nickte, verstört darüber, ihn derart verärgert zu haben. Seine Hand war rau und schwielig. Langsam nahm er sie von meinem Mund, strich über mein Kinn und hob es an.
„Dies ist ein heiliger Ort“, sagte er leise.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich.
„Hmmm“, machte er und beugte sich zur mir, bis seine grauen Augen alles waren, was ich sah. „Ich werde mir eine Strafe für dich überlegen.“ Mit den Worten entließ er mich und strebte weiter zwischen den Bäumen hindurch.
Ich blinzelte und beeilte mich aufzuholen. Hatte er das ernst gemeint oder hatte er sich über mich lustig gemacht?
Gerade als ich ihn danach fragen wollte, schob er die dichten Zweige einer Tanne beiseite und bedeutete mir, darunter durchzugehen. Ich schaute ihn kurz an, dann schlüpfte ich hindurch. Hinter mir trat Arun aus dem Wald.
Vor uns ragte ein gewaltiger Fels in die Nacht. Ein brausender Wasserfall stürzte aus ungesehenen Höhen in die Tiefe und schlug auf Steine und spritzte in einen kleinen Teich, in dem sich der abnehmende Mond tausendfach spiegelte. Wassertropfen stoben auf und fächerten wie ein Regenguss aus Diamanten über die Steine und den Teich. Für einen Moment hielt ich von Ehrfrucht ergriffen die Luft an.
Ich drehte mich zu Arun um und schaute ihn fragend an. Als er nickte, näherte ich mich dem Wasser. Es übte eine fast übernatürliche Anziehung auf mich aus, so als würde ich diesen Ort aus meinen Träumen kennen, ohne mich jedoch an den Traum erinnern zu können.
Am Rande des Teiches ließ ich mich auf die Knie sinken. Meine Finger fuhren über das Wasser. Wie kühle Seide fühlte es sich an. Und ja, ich spürte es; dieser Ort war heilig, doch die Traurigkeit in mir, das nagende Gefühl des Verlustes, konnte er nur wenig mildern.
Ich seufzte schwer. „Es ist mir ernst“, sagte ich leise. „Ich will, dass du es abschneidest.“
Er zückte einen Dolch. Silbern blitzte er im Mondlicht. Dann kam Arun zur mir, legte meinen Kopf in den Nacken, beugte mich rücklings über den Teich und setzte den Dolch an. Mir wurde bewusst, wie verwundbar ich in dieser Position war, doch ich schob den Gedanken beiseite. Ich vertraute diesem Dämon mehr als meiner eigenen Mutter.
„Tu es“, flüsterte ich.
Die Klinge des Dolches war so scharf, dass ich kaum spürte, wie er mein Haar absäbelte. Ich schloss die Augen, ließ es geschehen, doch tief in mir schwor ich, dass ich einen anderen Weg finden würde, um meinem Vater zu gedenken.
Ein letztes Mal fuhr Aruns Dolch durch mein Haar. Er strich mir über den Kopf, dann stand er auf und entfernte sich.
Für einen Moment schloss ich die Augen. Ich fühlte mich nackt, kalt und entblößt. Meine Kopfhaut prickelte und bei jeder Bewegung meines Halses vermisste ich die wohltuende Schwere meiner Haare. Sie waren
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