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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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niederließ. Ich suchte seinen Blick, doch die Schatten der Nacht hatten sich um ihn gesammelt und verbargen ihn fast vollständig vor mir. Sein Dolch blitzte auf. Ich streckte meine Hand über den Teich. Schnell und geschickt stach er mir in den Finger. Ich spürte es kaum, als der Blutstropfen hervorquoll und ins Wasser fiel.
    „Sieh hin.“ Die Stimme der Mondgöttin strich wie eine sanfte Berührung durch meinen Geist. Ich senkte den Kopf.
    Das Wasser flackerte und sandte kleine Wellen aus, die am Ufer leckten. Dann stieg ein Bild aus seinen Tiefen empor. Ich stützte beide Hände auf den Rand und beugte mich weiter vor.
    Da war ein Baby, ein winziges, runzliges Kind, das von Blut umwaschen war. Es schrie aus Leibeskräften, seine kleinen Hände griffen in die Luft, als versuche es verzweifelt, sich an etwas festzuhalten. Ich wollte es berühren, ihm helfen, doch ich konnte mich nicht mehr bewegen. Das erdrückende Gefühl einer nahenden Bedrohung kam über mich, bis mir das Atmen schwerfiel. Plötzlich schob sich eine viel größere Hand über den Mund des Kindes und verdeckte sein Gesicht. Als die Hand sich entfernte, lag das Kind still und reglos. Und dann fiel Erde über seinen zerbrechlichen Körper und bedeckte sein Gesicht, bis nichts mehr an ihn erinnerte.
    Ich hob den Kopf. „Wer …?“ Erst jetzt bemerkte ich, dass mir Tränen über die Wangen liefen und in den Teich tropften. Energisch wischte ich sie weg. „Wen habt Ihr mir da gezeigt?“ Meine Stimme zitterte. Die Trauer, die mich beim Anblick des ermordeten Kindes überkommen hatte, war so plötzlich erschienen, dass ich nicht wusste, wie ich sie zurückdrängen sollte. Mein Herz tat weh, so weh, über den Verlust von etwas, das ich nie gekannt hatte.
    Evaja berührtes das Wasser und das Bild verschwand. „Es tut mir sehr leid“, flüsterte sie in meinem Kopf.
    „W-was? Was war das?“ Kein vernünftiger Gedanke wollte sich in meinem Kopf formen, nichts machte mehr Sinn.
    „Das Blut der Unschuldigen. Wenn du meine Hilfe brauchst, komm zu mir“, hauchte sie und glitt ins Wasser, einfach so, mit den Füßen zuerst. Sie verschwand, ohne dass Tropfen stoben.
    „Arun!“ Ich fuhr zu ihm herum und packte sein Hemd. „Was war das?“
    Seine Hand umschloss meine und als er aufstand, zog er mich mit sich. Seine Arme schlossen sich um mich. Ich ließ mich in seine Wärme gleiten und presste mein Gesicht an seine Brust.
    Es dauerte lange, bis der Schmerz in mir nachließ und ich wieder klar denken konnte. Ich trat zurück und schaute zu ihm hoch. „Wessen Kind habe ich gerade sterben sehen?“, fragte ich mit fester Stimme.
    Arun hob eine Hand an meine Wange und atmete tief ein. „Sein Name wäre Junas gewesen.“ Er senkte den Blick. „Mehr kann ich dir nicht sagen.“
    Ich spürte, wie sich die Dunkelheit um uns sammelte. Ein leichter Schwindel überkam mich. „Ich sollte dich zurückbringen“, sagte Arun und zog mich in seine Arme. „Die Nacht ist fast vorüber.“
    „Warte!“
    Überrascht hielt er inne und sah mich fragend an.
    „Können wir ein Stück laufen?“
    Arun hob eine Braue und es war eine Geste, die ihn sehr menschlich aussehen ließ. „Du trägst keine Schuhe“, bemerkte er trocken.
    Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken. „Das ist schon in Ordnung“, beruhigte ich ihn. „Meine Füße werden warm, wenn ich mich bewege, und dein Umhang hält den Rest warm.“
    Er schien nicht wirklich überzeugt, dennoch nickte er und nahm meine Hand. „Hier entlang.“
    Ich ließ mich von ihm zurück unter die Bäume führen. Wie um mich willkommen zu heißen, streiften die Tannen mich mit ihren tiefhängenden Ästen. Der Boden unter meinen nackten Füßen war spröde und kalt, doch es war, wie ich gesagt hatte, schon nach kurzer Zeit spürte ich die Kälte nicht mehr, sondern nur noch das wohltuende Gefühl der Tannennadeln und Gräser unter meinen Sohlen. Über uns blitzten die Sterne durch die Wipfel, so viele winzige Sternenkinder, dass ich sie niemals würde zählen können.
    Ich erinnerte mich sehr gut an eine Nacht, als ich es versucht hatte. Mein Vater war ins Zimmer gekommen und hatte mich mit der Stirn an der Scheibe kleben sehen, die Augen in höchster Konzentration auf den Nachthimmel gerichtet. Doch anstatt mich auszulachen oder zu schimpfen, hatte er sich zu mir gestellt und mit mir gezählt. Bei der Erinnerung daran wurde mir die Brust eng und ich musste wieder zurück an den Teich der Mondgöttin denken.
    „Hast du

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