Caras Gabe
Trommelfelle schabten.
Ich starrte weiter auf die Federn. Am liebsten hätte ich eine gepackt und sie ihm ins strahlende Antlitz gestochen, doch ich fürchtete, dass ich mir die Hände zerschneiden würde, bevor ich das scharfkantige Glas aus der Tür gezogen hatte.
Ich überlegte, was diese scheußliche Kreatur wohl als nächstes von mir wollen würde, doch da hatte sich der Lichtträger bereits von mir abgewandt und schritt zwischen den Priestern hindurch. „Lehrt sie Demut“, verfügte er herablassend über die Schulter. „Wenn sie am Morgen die Weihe erhält, will ich sie gefügig sehen.“ Am Altar drehte er sich noch einmal um. „Und haltet sie von der Nacht fern.“ Dann löste sich seine Gestalt in Licht auf und schwebte durch die Fenster.
Meine Erleichterung über sein Verschwinden war unermesslich, doch um sie wirklich zu genießen, war sie viel zu dicht gefolgt von einem Gefühl des absoluten Grauens. Es legte sich über mich wie ein lähmender Griff aus Blei und wollte nicht weichen.
Die Weihe. Das Licht. Morgen. Es war unmöglich.
Ich konnte nicht erahnen, woher ich es wusste, doch ich wusste es mit einer Gewissheit, mit der mir klar war, dass ich die Nacht nicht fürchten musste. Es war unumstößlich. Ich konnte diese Weihe auf keinen Fall erhalten.
Die Priester hatten sich eher gefangen als ich.
„Ihr habt ihn gehört“, sprach Bardorack in die Stille, die der Lichtträger zurückgelassen hatte. „Sie wird den restlichen Tag ohne Nahrung und Wasser betend vor dem Altar verbringen. Und heute Nacht“, er rieb sich die langen Finger, ein Glimmen in den Augen, das mich schaudern ließ, „werde ich sie Demut lehren.“
Vehement schüttelte ich den Kopf. Es fühlte sich an, als würde er lose auf meinem Hals hin und her schlackern. „Ich werde nichts dergleichen tun“, hörte ich mich sagen.
Bardorack kam mit geöffneten Armen auf mich zu. „Bekämpfe nicht das Unvermeidliche“, rezitierte er.
„Rührt mich nicht an!“, fauchte ich zurück.
Der Priester blieb stehen, das Grinsen sickerte aus seinem Gesicht. „Greif sie dir, Kessandra“, befahl er.
„Zurück!“, rief ich und riss die Tür auf. Vor der Kirche standen noch immer alle Menschen der Gemeinde und schauten erwartungsvoll zu uns hoch. Ich senkte meine Stimme zu einem zuckersüßen Flüstern. „Ihr wollt die Neuerwählte doch nicht vor aller Leute Augen wegschleppen, oder?“
Kessandra zuckte mit den Schultern. „So etwas kommt vor“, sagte sie mit einem grausamen Lächeln. „Züchtigungen in der Öffentlichkeit haben schon so manchem gutgetan.“
Ich wurde kreidebleich, doch so einfach würde ich mich von ihnen nicht schnappen lassen. Ich lehnte die Tür weit auf und wandte mich an die Dörfler. „Der Lichtträger“, rief ich über den Dorfplatz, „hat ein Zeichen seiner Gunst zurückgelassen.“
Sie hatten die glitzernden Federn in der Tür schon längst entdeckt. Wie eine fremdgesteuerte Masse rücken sie näher, die Augen fest auf den Beweis seiner angeblichen Heiligkeit geheftet. Wenn die Priester sie nicht davon abhalten konnten, würden sich viele Menschen heute noch daran die Finger aufschneiden.
Ich sprang von den Stufen und zeigte auf die Kirche. „Geht hin, seht sie euch an und staunt.“ Es war ein wenig unheimlich, doch sie gehorchten mir tatsächlich. „Ich soll den ganzen Tag in meinem Haus beten“, setzte ich nach. „Niemand darf mich stören oder anwesend sein, außer meiner Mutter.“ Und ich hoffte inständig, dass diese Worte genug waren, um uns zu schützen.
Für mehr fehlte mir die Kraft. Meine Hände zitterten und in meinem Kopf herrschte ein solcher Aufruhr, dass ich nicht sicher war, ob ich überhaupt den Weg zu unserem Haus finden würde. Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich in Bewegung.
„Nein!“, hörte ich Bardoracks Stimme in meinem Rücken. „Bleibt zurück. Niemand darf sie berühren oder Verdammnis wird euch gewiss sein.“
Die Leute ließen mich problemlos durch und einige streckten sogar die Hände aus, um meinen Umhang zu berühren, wenn ich an ihnen vorbeiging. Ich hatte keine Erinnerung daran, wie ich durch das Dorf gelaufen war und in unser Haus gelangte, nur dass ich mich später an meinem Fenster sitzend wiederfand. Meine Augen waren starr auf die schneebedeckten Tannen hinter unserem Haus gerichtet. Lange Zeit saß ich so da und überlegte, ob ich einfach in den Wald fliehen sollte.
Was sollte ich sonst tun? Bleiben und hoffen, dass ich den Priestern
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