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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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Welt eintauschen. Er hatte meinem Vater gehört und wenn ich die Augen schloss und ganz tief einatmete, konnte ich seinen vertrauten Geruch darin wahrnehmen, eine Mischung aus Tabak und Erde. Es würde mir guttun, ihn heute bei mir zu wissen.
    Ich wollte gerade das Haus verlassen, da erschien meine Mutter im Türrahmen. Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen. Ich weiß nicht, ob es an dem Umhang lag oder an meinen Haaren, aber der Ausdruck auf ihrem Gesicht war der tiefen Erschreckens, gemischt mit einem Funken Reue. Zumindest wünschte ich mir das zu sehen, wünschte mir, dass es ihr leid tat, dass sie mich überfallen und ihrer Angst unterworfen hatte. Herausfordernd starrte ich zurück und schnürte den Umhang zu.
    Der Blick meiner Mutter wurde hart. Ohne ein Wort wandte sie sich ab und stapfte durch den Schnee davon. Ich atmete tief durch und folgte ihr. Wenigstens war sie nicht mehr die geistlose Frau von gestern.
    Eine knöchelhohe Schneeschicht bedeckte den Boden und die Dächer. Über meinem Kopf hingen schwere, graue Wolkenbäuche und unter meinen Stiefeln knarzte der gefrorene Matsch.
    Es war gespenstisch still im Dorf, als wir zwischen den Häusern hindurchliefen. Eine bange Erwartung lag in der Luft und mir war, als ob selbst die schäbigen Gebäude sich enger aneinanderdrängten, um beieinander Schutz zu suchen.
    Auf dem Dorfplatz war es ähnlich ruhig. Die Menschen standen für sich, nur wenige Gruppen hatten sich gebildet und anstatt miteinander zu reden, beäugten sie sich misstrauisch und feindselig.
    Ein Aufstieg war ein großes Ereignis für dieses Dorf und so hatten viele sich herausgeputzt. Ich sah Gänsefedern, die in zahlreiche Gewänder gewebt waren, um die Schwanenfedern der Priester zu imitieren, und manch einer hatte sich den Kopf kahlrasiert, wie es Brauch bei Novizen war.
    Am liebsten hätte ich ihnen allen entgegengebrüllt, dass ich nichts dergleichen beabsichtigt hatte, dass ich ihr verdammtes Priesteramt in die ewige Nacht wünschte, aber das wäre ein sicherer Weg gewesen, den Flammentod zu sterben, und so beherrschte ich mich. Bis ich den selbstzufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht meiner Mutter sah.
    Meine Hände zuckten, ich tat einen Schritt auf sie zu. Ihre Augen wurden groß. Ich holte tief Luft.
    Der heisere Schrei einer Elster schallte über den Dorfplatz. Die Menschen sahen sich entsetzt um, erschrockene Ausrufe machten sich breit, manche duckten sich und kreuzten sie Arme vor der Brust, um das Böse abzuwehren. Plötzlich hatte jeder eine Waffe in der Hand und spähte umher, als würde der Dämonenfürst persönlich auf einem der Dächer lauern.
    Es war so absurd, dass ich am liebsten laut gelacht hätte. Alle Wut wich von mir, wie aus einem löchrigen Blasebalg. Diese Menschen wussten nichts, sie waren ängstlich und klein und ich machte mir Sorgen darüber, was sie von mir dachten.
    Niemand konnte mehr das zufriedene Grinsen auf meinem Gesicht sehen, denn im nächsten Moment verdunkelten sich die Wolken. Wie ein riesiger Tintenfleck breitete sich Schwärze über unseren Köpfen aus und es war, als drückten die Wolken ihre Bäuche mit jedem Schatten, der sich in ihnen ergoss, tiefer auf die Erde. Schon wenige Herzschläge später herrschte ein schummriges Zwielicht über dem Platz vor der Kirche.
    Verängstigte Schreie drangen in den Himmel. Meura stand neben mir. Sie reckte die Hände zitternd empor, kreischte und warf sich zu Boden, als habe der Blitz sie getroffen. Dort kauerte sie im Schnee, verbargen den Kopf unter ihren Armen und winselte um Gnade.
    Meine Mutter warf sich ebenfalls nieder. Die meisten anderen taten es ihr nach.
    „Wo sind die Priester?“, rief Meura.
    „Die Dämonen kommen!“, stöhnte ein Mann. „Wo ist der Lichtträger?“
    Nur wenige blieben aufrecht stehen, Schaufeln oder Mistgabeln mehr angstvoll als abwehrend erhoben.
    Hätten die Schatten sich wahrhaftig angefühlt, hätte ich ihnen mit freudiger Erwartung entgegengesehen, doch etwas an dieser Dunkelheit fühlte sich falsch an, künstlich. Angestrengt starrte ich in die Wolken. Das hier war nicht das Werk eines Dämons.
    Der Geruch von Urin umwehte mich. Angewidert hielt ich mir die Nase zu. Konnte das bisschen Dunkel tatsächlich solche Panik bei diesen Menschen auslösen?
    Eine Gruppe Männer war zur Kirche gerannt. Wie von Sinnen hämmerten sie gegen die Tür und schrien um Einlass, doch niemand öffnete ihnen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn ich kein Mitleid mit ihnen empfunden

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