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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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schrie ich. „Einfach weg.“
    „Einfach?“, schnappte sie. „Nichts ist daran einfach.“ Und dann begann sie zu weinen, sank in sich zusammen, als ob alle Kraft sie verlassen hätte.
    Ich schaute auf meine Mutter und wollte ihr vergeben, mehr als alles andere. Doch in diesem Moment überstieg es meine Kräfte. Junas war mein Halbbruder gewesen und sie hatte ihn erstickt und vergraben.
    „Sag deinen Priestern, sie sollen aufhören mich zu suchen. Ich werde zur Weihe zurück sein.“ Damit verließ ich das Haus, in dem ich aufgewachsen war, mit einem Gefühl der Endgültigkeit, als fiele eine schwere Tür für alle Zeit hinter mir ins Schloss.
    Arun erwartete mich in der Dunkelheit.
    „Weg hier“, sagte ich und eilte an ihm vorbei in den Wald. Er folgte mir still.
    An manchen Stellen reichte mir der Schnee bereits bis zu den Knien. Mehr und mehr fette Flocken schwebten vom Himmel. Sie erleuchteten die Nacht und den Tannenwald, und die Sterne spiegelten sich in ihren Eiskristallen. Ich mochte das Geräusch, dass meine Stiefel im Schnee erzeugten, das fast lautlose Gleiten und der dumpfe Fall, wenn ein Ast sich neigte und seine weiße Last auf den Boden glitt, das leise Wispern der Schneeflocken, wenn sie zu Boden sanken. Es war wie ein stetiges Flüstern, das mich von allen Seiten umgab. Ich blieb stehen, schloss die Augen und atmete den Duft des Waldes ein.
    Wenn es nach mir ginge, wäre es immer Winter.
    Ich spürte seine Gegenwart, auch wenn ich seine Schritte nicht hören konnte. Wie schaffte der Dämon es nur, sich so absolut lautlos durch den Schnee zu bewegen? Seine Lippen berührten meine Stirn und der Gedanke verflog.
    „Cara.“
    Ich schaute zu ihm hoch. Sturmgraue Augen musterten mich mit einer Intensität, die mich schwindeln ließ.
    „Gib mir deine Hände“, sagte er sanft.
    Ich reichte sie ihm. Ich hatte vollkommen vergessen, wie weh sie taten, doch jetzt, als ich sie sah, kam der Schmerz mit voller Wucht zurück.
    „Nicht erschrecken.“
    Im nächsten Moment fielen winzige schwarze Spinne aus seiner Handfläche und rieselten auf meine Arme. Ich rechnete mir hoch an, dass ich nicht einmal zuckte. Dennoch beobachtete ich die kleinen Tierchen wachsam. Sie flitzten über meine Haut, den Arm hinunter, über meine aufgeschürften Gelenke und begannen zu spinnen. Es fühlte sich an, als würden sie kühle Seide über meine verletzte Haut legen. Der Schmerz ließ fast augenblicklich nach.
    Erleichtert atmete ich aus und starrte auf meine Bandagen aus Spinnenweben. Die kleinen Tierchen seilten sich auf den Waldboden ab, krabbelten überraschend flink über den Schnee davon und ins Unterholz.
    Staunend hielt ich meine Handgelenke ins Mondlicht. „Was war das?“
    „Spinnen“, entgegnete Arun mit einem Schulterzucken und lächelte.
    Ich ließ meine Hände wieder sinken. „Bringst du mich zu Evaja?“
    Seine Brauen zogen sich nachdenklich zusammen, doch er nickte.
    Schweigend führte er mich durch den Wald und schon nach ein paar Schritten wurde mir bewusst, wie müde und hungrig ich war. Ich drängte die Mattheit so weit zurück, wie ich konnte. Die Zeit zum Ausruhen war noch nicht gekommen.
    Arun blieb stehen und hob die schneebedeckten Zweige einer Tanne beiseite. Dankbar lächelte ich und tauchte hindurch.
    Der Anblick, der sich mir bot, war … märchenhaft.
    Die Mondgöttin tollte durch den Schnee wie ein sorgloses Kind. Sie warf ihren Kopf zurück, hob die Arme in die Höhe und wirbelte wild im Kreis herum. Schneewehe um Schneewehe stob in den nächtlichen Himmel. Sie tanzte so lautlos, dass es beinahe gespenstisch wirkte in seiner Schönheit.
    Evaja sah mich an und hielt in ihrem Spiel inne. „Du hast von deinem Halbbruder erfahren“, hörte ich ihre klare Stimme in meinem Kopf.
    Ich nickte. Und von den anderen Sünden meiner Mutter und ihren Qualen. Ich musste schlucken. „Ja“, sagte ich leise und umklammerte Aruns Handgelenkt, um nicht in Tränen auszubrechen.
    „Sei nicht traurig“, tröstete Evaja, ohne dass ihre Lippen sich bewegten. „Ich habe ihn zu mir genommen.“ Sie lächelte und deutete auf den Schnee am Teichufer. „Bitte, setzt euch zu mir.“
    An den Rändern des Teiches hatten sich Eiskristalle gebildet, die sich wie filigraner Schmuck über das Wasser ausbreiteten. Sie erinnerten mich an die gläsernen Federn des Lichtträgers.
    Ich ließ mich mit unterschlagenen Beinen am Ufer nieder und schmolz ein paar der Kristalle mit meinem Zeigefinger. Dabei fiel mein Blick

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