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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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Vor der niedrigen Tür hielt ich inne, doch dann klopfte ich dagegen, vermutlich etwas energischer als beabsichtigt.
    Eine hochgewachsene Frau mit flammendem Haar und stechenden grünen Augen öffnete mir. Sie hatte breite Backenknochen und einen breiten Mund mit vollen Lippen. Ihr Gesicht und ihre Unterarme waren über und über mit blassen Sommersprossen bedeckt. Sie trug etwas, das auf den ersten Blick aussah wie ein zerfleddertes Kleid und sich bei genauerem Hinsehen als ein Gewand mit unendlich vielen Taschen und angenähten Beuteln herausstellte. Ich musste sie wohl angestarrt haben, denn der Blick, den sie mir schenkte, war bestenfalls skeptisch zu nennen.
    „Aha“, sagte sie abschätzig, mit einer tiefen, leicht kratzigen Stimme, die dem jugendlichen Aussehen ihres Gesichtes widersprach.
    Ich wartete, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Mein Name ist Cara“, bot ich zögerlich an.
    Die Frau, die ich für Rosana hielt, regte sich nicht, sondern musterte mich weiterhin von oben bis unten. Feiner Nieselregen sammelte sich zu einem feuchten Film auf meiner Haut und von den überhängenden Zweigen des Daches fielen dicke Tropfen in meinen Nacken.
    „Danke, dass du uns aufgenommen hast“, fügte ich hinzu.
    „So?“, gab Rosana gedehnt von sich und hob eine rötliche Augenbraue. Sie machte jedoch keine Anstalten, mich einzulassen.
    Mir reichte es. Ich stemmte die Hände in die Hüften und sah ihr fest in die Augen. „Wenn es ein Problem gibt, dann raus damit. Ich habe keine Lust im tropfenden Regen rumzustehen und zu raten.“
    Ihre Augen wurden schmal. Dann breitete sich ein zufriedenes Lächeln über ihre Züge aus. „Sehr gut“, murmelte sie und trat zur Seite. „Sehr gut. Komm rein.“
    Etwas verdattert sah ich sie an, zuckte dann jedoch mit den Schultern und trat an ihr vorbei in die Stube. Ein Schwall Kräuterduft wehte mir entgegen und es war unschwer zu erkennen, woher er rührte. Von der Decke hingen unzählige Bündel getrockneter Pflanzen, Äste und Früchte. Ich musste mich ducken, um ihnen auszuweichen.
    Auch die Wände waren zugestellt mit Regalen, in denen Krüge, Kästen und Töpferschalen standen, von denen seltsame Gerüche ausgingen und die mit noch seltsameren Inhalten gefüllt waren. Ein Regal war mit Büchern vollgestopft. Polierte Geweihe hingen an den Brettern, die Hauer von Wildschweinen, hier und da durchsichtige Säckchen mit Knochen darin, Rabenschwingen, getrocknete Kröten, etwas, das aussah wie eine Dose mit Fingernägeln, und noch viel mehr Zeug, das ich nicht näher betrachten wollte. Über dem Feuer an der gegenüberliegenden Wand baumelte ein schwerer Kessel, in dem ein herb riechendes, dickflüssiges Gebräu brodelte.
    Ich fuhr zu Rosana herum. „Du bist eine Hexe!“
    Sie kreuzte die Arme vor der Brust und sah mich herausfordernd an. „Ganz recht“, sagte sie und kam auf mich zu, bis sie so nahe vor mir stand, dass ich die braunen Sprenkel in ihren blattgrünen Augen erkennen konnte. „Und wenn du mir nicht den nötigen Respekt entgegenbringst, werde ich dafür sorgen, dass dir die Brüste abfallen.“ Sie schielte an mir hinunter. „Obwohl das nicht viel verändern würde.“
    Ich starrte sie an. „Schwachsinn“, stieß ich aus.
    Rosana warf den Kopf zurück und lachte, laut und kehlig. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und dann schlug sie mir so hart auf die Schulter, dass ich beinahe umfiel.
    „Du gefällst mir“, rief sie laut und lachte erneut. „Lässt dich nicht einschüchtern, was? Setz dich. Du bist sicher am Verhungern. Kannst gut was auf den Rippen vertragen, so klapprig wie du bist.“ Mit einem Finger zeigte sie auf die zwei schweren, mit Fellen und Stoffresten behangenen Stühle, die vor dem Feuer standen.
    „D-Danke“, stammelte ich, abgelenkt von Rosanas überlangen Fingernägeln. Sie sahen aus wie Krallen.
    Ohne ein weiteres Wort drehte Rosana sich um und verschwand hinter einem vergilbten, ausgefransten Vorhang. Ich drehte mich einmal im Kreis und ließ den Raum auf mich wirken.
    Die Priester hatten anscheinend nicht übertrieben, als sie uns vor den Kräuterweibern gewarnt hatten, die sich verbotenes Wissen über Natur, Tiere und Menschen aneigneten, um uns alle vom Licht abzudrängen. Sie stünden mit den Varuh im Bunde, hieß es, und konnten einem Mann die Kraft und einer Frau ihre Fruchtbarkeit rauben. Doch am schlimmsten war, dass sie sich weigerten das Licht als den einzigen und wahren Heiler anzusehen. Wer

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