Caras Gabe
es wagte, seine Wunden und Krankheiten von kundigen Frauen behandeln zu lassen, der mischte sich in den Plan des Lichtes ein und machte sich strafbar. Ich glaubte diesem Geschwätz natürlich nicht, doch hier, in diesem Raum, wurde mir schon ein wenig mulmig.
Rosana kam zurück, die Wangen noch immer vom Lachen gerötet. In den Händen hielt sie zwei Becher und ein Brett, auf dem sich Brot und Fleisch stapelten. Sie stellte alles auf einen kleinen Tisch, der sich zwischen den zwei Stühlen befand, und setzte sich, wobei sie ein Bein frei über die Lehne baumeln ließ.
„Greif zu“, sagte sie und langte selbst nach einer Scheibe.
Ich wich einem Bündel Pfefferminze aus, ließ mich ungeschickt auf den anderen Stuhl nieder und beäugte das Brot. Es war lange her, dass ich welches gegessen hatte. Geschweige denn Fleisch. Ich löste meine Augen von den köstlichen Speisen.
„Rosana?“
Die Rothaarige neigte den Kopf und biss ein großes Stück aus ihrem Brot.
„Was sollte das an der Tür?“, fragte ich.
Sie hörte auf zu kauen und sah mich abschätzend an. „Ein Test“, schmatzte sie. „Ich wollte wissen, aus welchem Holz du geschnitzt bist.“ Sie grinste breit. „Hartes Holz“, sagte sie zufrieden und kaute weiter.
Ich sah sie noch einen Moment an, unsicher, was ich von ihrem Urteil halten sollte. Der Geruch des frischen Brotes wehte mir in die Nase und vertrieb alle anderen Gedanken. Unfähig, noch länger zu widerstehen, tat ich, was Rosana mich geheißen hatte, und griff zu. Es war schwer, nicht genüsslich aufzustöhnen und mich tiefer in den Stuhl sinken zu lassen. Ich kannte diese Frau nicht, ich wollte wachsam sein. Wir aßen schweigend.
Schließlich hob ich einen der Becher und hielt ihn an meine Nase. Darin schwamm eine rötliche Flüssigkeit, die ich nicht kannte. Sie dampfte ein wenig und hatte einen würzigen, leicht stechenden Geruch.
„Was ist das?“, fragte ich und schielte in den Becher.
Rosana lachte auf. „Trink schon. Gift ist es nicht.“
Mein Blick schweifte über eines der Regale – waren das abgeschnittene Finger? – und zurück zum Becher. Ich trank. Überrascht sah ich auf. „Das ist köstlich. Was ist das?“
Rosana grinste. „Gewürzwein.“
„Mhm“, machte ich und trank noch mehr.
Rosana betrachtete mich mit halb gesenkten Lidern. „Erzähl mir etwas von dir“, murmelte sie und nahm ihrerseits einen Schluck von dem Gewürzwein.
Ich fand die Bitte ungewöhnlich, doch ich war in ihrem Haus und sie behandelte mich wie einen Gast, wenn man von ihrem rüden Verhalten an der Tür absah. Ich stellte den Becher zurück auf den Tisch und sah in die Flammen der Feuerstelle, ohne den Schimmer einer Ahnung was ich ihr erzählen sollte.
„Sie haben meinen Vater verbrannt.“ Die Worte waren mir entschlüpft, ehe ich es wusste. Ein Teil von mir stöhnte auf und schrie, wütend darüber, dass ich nur ein Thema zu haben schien.
Rosana setzte sich auf. „Das tut mir leid“, sagte sie. Ihr Mitgefühl war echt und ich war froh darüber. „Vermisst du ihn?“
Auf einmal hatte ich einen Kloß im Hals. „Jeden Tag“, sagte ich mit erstickter Stimme. Und dann hatte ich keine Lust mehr, den Schmerz an mich zu pressen und für mich zu behalten. „Er fand immer die richtigen Worte“, sagte ich leise. „Er wusste, was zu tun war, und er tat es.“ Ich schniefte und wischte mir eine Träne von der Wange. „Wenn er gesprochen hat, haben die Leute ihm zugehört und er hatte keine Angst vor den Priestern. Deshalb mussten sie ihn verbrennen. Er war zu stark, als dass sie ihn unterwerfen konnten. Er hat frei gedacht und gehandelt. Die Dörfler haben angefangen ihn als Anführer zu sehen und im Geheimen galt sein Wort ebenso viel wie das der Priester.“
Das Feuer verschwamm vor meinen Augen, als die Tränen mir die Sicht nahmen. Ich ließ sie einfach laufen und klammerte mich an meinen Becher und die wenigen Bildfetzen meines Vaters, an die ich mich noch erinnern konnte. Wie er nachts in unserem Haus zu anderen Männern aus dem Dorf gesprochen hatte. Wie er erschöpft, doch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht von einem harten Arbeitstag auf dem Acker heimgekommen war. Wie er mir mit unserem Besen erklärt hatte, wie man ein Schwert hielt. Der Ausdruck in seinen Augen, als ihm klar wurde, dass ich ihn brennen sehen würde.
Mit meiner Mutter hatte ich nie darüber reden können. Sie war schon wütend geworden, wenn ich nur seinen Namen erwähnt hatte. Niemand hatte
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