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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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an sich   …«
    »Was?«
    Wieder sah sie mich komisch an.
    »Was meinst du, Yaketa?«
    Da lachte sie. »Ich habe das Gefühl, dass ukrainische Männer genau wie sambische Männer sind.«
    Was meinte sie damit?
    »Hast du einen Freund, der in Sambia auf dich wartet?«, fragte ich. »Was machst du, wenn du mit der Umschulung fertig bist?«
    »Die Sklavenarbeit hier muss ich nur noch drei Wochen machen. Und dann, wenn mir die Oberschwester ein gutes Zeugnis ausstellt,
     kann ich für den staatlichen Gesundheitsdienst arbeiten und gutes Geld verdienen. Bald kann ich endlich wieder als richtige
     Krankenschwester arbeiten und muss nicht mehr Klos putzen zum Mindestlohn wie hier. Ich würde gern O P-Schwester werden oder Intensivschwester. Auf jeden Fall werde ich frei sein – frei von Four Gables, frei von Nightingale Human Solutions.«
     Sie drückte meine Hand. »Also mach dir um mich keine Sorgen, Irina. Und viel Glück mit deinem Millionär!«
    Ich wollte gerade protestieren, als wir draußen auf der Einfahrt Geschrei hörten, und gleich darauf kam Andrij hereingerannt,
     mit wildem Blick und einer blutigen Nase.
    »Andrij, was ist denn passiert?« Ich legte die Arme um ihn – mein verwundeter Krieger!
    »Irina, ich muss sofort hier abhauen. Kommst du mit?«
    |326| »Natürlich komme ich mit, Andrij. Aber warum?«
    »Es hat ein Missverständnis gegeben. Geh und hol deine Sachen. Ich erkläre es dir später.«
    Ich umarmte Yaketa rasch. »Lebwohl. Vielen Dank für alles.«
    »Ich bin sicher, du kommst wieder«, sagte sie.
     
    Da standen wir also wieder auf der Great North Road, Andrij, ich und der Hund. Wie gewohnt rollte der Strom von Autos an uns
     vorbei, ohne dass jemand anhielt. Glücklicherweise hatte es noch nicht angefangen zu regnen. Andrij schien immer noch ganz
     durcheinander, und ich drückte seine Hand.
    »Was ist passiert? Warum mussten wir so plötzlich weg?«
    »Es war alles ein großes Missverständnis.«
    »Was für ein Missverständnis?«
    »Ach nichts. Jetzt ist es vorbei.«
    »Du hast gesagt, du erklärst mir alles, Andrij. Du hast es versprochen.«
    »Es geht um die alte Dame, Mrs.   Gayle. Sie hat behauptet, ich hätte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Dann hat sie es ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn
     erzählt und ihnen gesagt, sie müssten aus dem Haus ausziehen, weil sie wieder einziehen würde. Und das hat sie mit einer Flasche
     Whisky gefeiert.«
    »Andrij – du willst mir Vorträge darüber halten, dass ich alte Männer anlächle, dabei tust du genau das Gleiche mit alten
     Frauen.«
    »Das ist was völlig anderes.«
    »Was soll daran anders sein?«
    »Es war ein Missverständnis.«
    »Wo ist da der Unterschied? Irgendwie wirst du sie wohl ermutigt haben.«
    |327| »Irina, das ist nicht lustig. Diese Leute waren furchtbar, richtige Barbaren. Du kannst dir nicht vorstellen, was sie alles
     zu mir gesagt haben.«
    Sturmwolken wanderten über sein Gesicht.
    Glücklicherweise hielt genau in diesem Moment ein Auto am Straßenrand – eigentlich war es kein Auto, eher ein Transporter.
     Oder ein Bus. Ein Bus, der zu einem Wohnmobil umgebaut worden war.
    »Hallo. Wo soll’s denn hingehen?«
    »Nach Sheffield, sonst nirgends«, sagte Andrij mit Nachdruck.
    »Rein mit euch. Ist genau meine Richtung.«
    Der Fahrer war ein junger Mann, etwa in Andrijs Alter. Er trug eine kleine runde Brille und hatte roten, lockigen Flaum am
     Kinn, der sich Mühe gab, wie ein Bart zu wirken. Die roten Haare hatte er in einem Pferdeschwanz zusammengebunden – es war
     ein dichter, lockiger Pferdeschwanz, nicht wie   … Meiner Meinung nach sollten sich Männer die Haare überhaupt nicht lang wachsen lassen. Andrijs Haar zum Beispiel war nicht
     zu lang. Und auch nicht zu kurz.
    »Ich heiße Rock.«
    Rock? Ich konnte mir niemanden vorstellen, der weniger wie ein Fels ausgesehen hätte als er. Er erinnerte mich eher an eine
     scheue kleine Schnecke, die mit ihrem Schneckenhaus herumreist. Dann stellten wir uns vor, und zum Glück verstanden wir uns
     gut, denn der Wohnwagen fuhr tatsächlich im Schneckentempo, und es war klar, dass wir eine lange Reise vor uns hatten.

|328| Neun Ladys
    Es wäre ein Wunder, wenn wir je in Sheffield ankommen, denkt Andrij. Dieser alte Bus hat mindestens fünfzig Jahre auf dem
     Buckel und ein prähistorisches Getriebe mit nur vier Gängen und einem langen, abgewinkelten Schaltknüppel wie bei den alten
     Wolgas. Der Motor dröhnt wie ein Schwarm Bienen, und wenn Rock

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