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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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an – Mutter nennt sie
     die Zigaretten der neuen Russen, was für ein Gestank! – und qualmte vor sich hin. Widerlich.
    Ich war so müde, dass ich nicht viel von der Landschaft mitbekam, die hinter den getönten Scheiben vorbeiflog, aber mein Körper
     registrierte jede Kurve, jeden plötzlichen Ruck und Stoß, wenn er bremste oder abbog. Dieser Comic-Gangster sollte mal ein
     paar Fahrstunden nehmen.
    Neben sich auf dem Beifahrersitz hatte er eine Papiertüte mit Pommes frites, und von Zeit zu Zeit wanderte seine Hand nach
     links, griff sich eine Handvoll und stopfte sie sich in den Mund. Raff. Stopf. Schmatz. Raff. Stopf. Schmatz. Nicht sehr kultiviert.
     Doch die Pommes frites rochen köstlich. Obwohl mir von dem Tabakgestank, seinem ruppigen Fahrstil und dem dumpfen, ziehenden
     Schmerz meiner Periode ziemlich übel war, hatte ich Hunger. Am Ende war der Hunger stärker. Ich fragte mich, welche Sprache
     der Gangster sprach. Weißrussisch? Für einen Weißrussen war er zu dunkel. Ukrainisch? Nein, er sah nicht wie ein Ukrainer
     aus. Irgendwo aus dem Osten   – Tschetschene? Georgier? Wie sah ein Georgier eigentlich aus? Oder kam er vom Balkan? Ich probierte es auf Russisch.
    »Bitte, könnte ich etwas zu essen haben?«
    Er sah auf. Unsere Blicke trafen sich im Rückspiegel. Er hatte richtige Gangsteraugen – giftige schwarze Beeren unter buschigen,
     wuchernden, ungepflegten Brauen. Wieder musterte |13| er mich auf diese anzügliche Art, indem er den Blick über meinen Körper wandern ließ.
    »Kleinerr Blume will essen?« Offensichtlich hatte er mein Russisch verstanden, doch er antwortete auf Englisch. Wahrscheinlich
     kam er aus einem der neuen unabhängigen Länder der früheren Sowjetunion, wo alle Russisch können, aber niemand Russisch spricht.
     Na gut, er wollte Englisch sprechen? Bitte sehr.
    »Ja, in der Tat, Mister Vulk. Wenn Sie so nett wären und falls es Ihnen keine Umstände bereitet, würde ich sehr gern etwas
     essen.«
    »No prroblem, kleinerr Blume!«
    Er nahm sich noch eine Handvoll Pommes – raff, stopf, schmatz   –, dann knüllte er die Reste in das fettige Papier und reichte mir die Tüte nach hinten. Als ich mich vorbeugte, um sie entgegenzunehmen,
     entdeckte ich noch einen Gegenstand auf dem Sitz, wo die Tüte gelegen hatte.
Schtscho to!
War das eine echte Pistole?
    Mir blieb fast das Herz stehen. Wofür hatte er eine Pistole?
Mama, Papa, helft mir!
Okay, einfach so tun, als hätte ich nichts gesehen. Vielleicht war sie nicht geladen. Vielleicht war es nur eine Attrappe,
     eins dieser Feuerzeuge. Und so faltete ich die zusammengeknüllte Pommestüte auseinander, ein kleines, fettiges Nest in meiner
     Hand. Die Pommes frites waren dick und weich und noch warm. Es waren vielleicht sechs übrig, und ein paar Krümel. Ich aß eins
     nach dem anderen, ganz langsam. Sie waren leicht gesalzen, mit einem Schuss Essig, und schmeckten – mmmh! – einfach köstlich.
     Das Fett klebte mir an den Fingern und Lippen, und mir blieb nichts anderes übrig, als es abzulecken, doch ich versuchte,
     diskret dabei zu sein.
    »Danke«, sagte ich höflich, denn Unhöflichkeit ist ein Zeichen von Unkultiviertheit.
    |14| »No prroblem. No prroblem.« Er winkte mit der Faust, wie um seine Großzügigkeit zu unterstreichen. »Essen in Transport. Alles
     bezahlt von deine Abzüge.«
    Abzüge? Bitte nicht noch mehr unangenehme Überraschungen. Ich starrte seinen Rücken an, die knarzende, an den Nähten spannende
     Jacke, den dünnen Pferdeschwanz, den dicken gelblichen Nacken, die Schuppen auf dem Kunstlederkragen. Mir wurde schlecht.
    »Was heißt das, Abzüge?«
    »Abzüge. Abzüge. Essen. Transport. Unterbringung.« Jetzt nahm er beide Hände vom Lenkrad und gestikulierte. »Leben in Westen
     sehr teuer, kleinerr Blume. Wer, glaubst du, bezahlt für ganze Luxus?«
    Auch wenn sein Englisch grauenhaft war, sprudelten die Worte über seine Lippen, als hätte er die Rede eingeübt. »Glaubst du,
     kostet nix?«
    Anscheinend hatte meine Mutter recht gehabt. »Diese Agentur ist nicht seriös, das sieht doch jedes Kind. Jedes Kind außer
     dir, Irina.« (Sehen Sie, wie meine Mutter die unangenehme Angewohnheit hat, mich ständig klein zu machen?) »Und wenn du sie
     anlügst und behauptest, du studierst Landwirtschaft, obwohl es gar nicht stimmt, wer soll dir dann helfen, wenn etwas schiefgeht,
     Irina?«
    Und dann zählte sie in ihrer hysterischen Art all die Dinge auf, die schiefgehen können, wenn ein

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