Carlotta, Band 4: Carlotta - Internat und Prinzenball (German Edition)
Junge, den ich je gesehen habe. Mon Dieu, er ist so attraktiv!“
Carlotta und Manu wechseln einen Blick.
„Dschülienn?“, wiederholt Carlotta. „Was ist das denn für ein Name?“
„Ein ziemlich bescheuerter, wenn du mich fragst. Hört sich an wie Suppengemüse.“ Manu stupst Sofie an. „Möchtest du hier stehen bleiben und festwachsen oder kommst du mit rein?“
„Ich komme schon“, sagt Sofie und stolpert hinter ihr her.
Carlotta kann nur mit Mühe ein Prusten unterdrücken. Sofie verliebt … Das kann ja heiter werden!
Im Zimmer wirft sie ihren Rucksack in hohem Bogen auf den Schreibtisch und anschließend sich selbst auf ihr sorgfältig gemachtes Bett. Hinter ihr liegt ein langer Schultag, und obwohl das neue Halbjahr gerade erst angefangen hat, fühlt sie sich schon wieder ferienreif. Wie kann das sein?
Es ist ihr viertes Jahr im Internat Prinzensee. Sie geht in die 8. Klasse und hat sich inzwischen an das Internatsleben gewöhnt. Aber niemand hat ihr gesagt, dass mit jedem Schuljahr alles so viel schwieriger werden würde. Neue Fächer, neue Lehrer und ein bis zum Anschlag vollgestopfter Stundenplan. Dazu die Foto-AG, jede Menge Nachmittagsveranstaltungen und, und, und.
Wo bleibt da der persönliche Freiraum?, denkt Carlotta. Wann kann man mal etwas machen, das nichts mit Lernen und irgendwelchen Verpflichtungen zu tun hat? Mit Niko auf Rathaustürme klettern und romantische Sonnenuntergänge betrachten zum Beispiel. Oder sich mit ihm in der Gruft verabreden, um zu tanzen und einfach nur Spaß zu haben.
Sie schickt einen abgrundtiefen Seufzer in Richtung Zimmerdecke und wälzt sich auf den Bauch.
Manu wühlt in ihrem Kleiderschrank. Sofie sitzt am Fenster und zupft abwesend an ihren Haarspitzen, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz woanders.
Ist sie wahrscheinlich auch, analysiert Carlotta.
„Dieser Julian …“, nimmt sie den Gesprächsfaden wieder auf, „kommt der in unsere Klasse?“
„Ich hoffe es“, antwortet Sofie.
Manus Kopf taucht aus den Tiefen ihres Kleiderschranks auf.
„Ich nicht“, grummelt sie. „Der zieht so eine Schleimspur hinter sich her, dass man darauf Schlittschuh laufen könnte. Außerdem würde mir Sofies Geschmachte während des Unterrichts tierisch auf den Keks gehen. Schlimm genug, dass ich das in meiner knappen Freizeit ertragen muss. Nee, danke. Wieso kommt der eigentlich jetzt erst nach Prinzensee? Das Schuljahr hat doch längst angefangen.“
„Vielleicht hat er eine Ausnahmegenehmigung.“ Carlotta richtet sich auf und setzt sich auf die Bettkante.
„Oder er kommt von ganz weit her.“ In Sofies Augen liegt ein verträumtes Funkeln. „Ich finde, er sieht aus wie ein Prinz von einem anderen Stern.“
Manu zeigt ihr einen Vogel. „Du meinst, der Schnösel ist außerirdisch? So ein Schwachsinn! Der ist einfach nur bescheuert!“
Carlotta steht auf und fischt ein paar Gummibärchen aus einer kleinen Keramikschale, die auf ihrem Schreibtisch steht. Langsam beginnt der Neuzugang sie zu interessieren. Ein außerirdischer Prinz im Internat wäre wenigstens mal eine Abwechslung. Prinz Julian vom Mars … Warum eigentlich nicht? Es gibt schon ein paar adlige Sprösslinge in Prinzensee; da würde eine marsianische Hoheit kaum auffallen. Es sei denn, dieser Julian hat spitze grüne Ohren oder schillernde Schwimmhäute zwischen den Fingern. Ob er wirklich so blendend aussieht, wie Sofie behauptet? Davon würde Carlotta sich liebend gern mit eigenen Augen überzeugen.
„Kann man den irgendwo besichtigen?“, fragt sie.
„Spätestens beim Abendessen wird es sich leider kaum vermeiden lassen“, antwortet Manu. „Es sei denn, er speist in seinem Zimmer, weil er für den Rest der Menschheit zu nobel ist. Angekommen ist er jedenfalls mit einem Taxi. Wir haben zufällig mitgekriegt, wie er seine Koffer ausgeladen hat. Seitdem ist es um Sofie geschehen. Ein Blick auf die Schmalzlocke und – zack! – weg war sie.“
Sofie kommentiert Manus Bericht mit einem nachsichtigen Lächeln. Sie verlässt ihren Fensterplatz, nimmt eine Bürste von ihrem Nachttisch und fährt mit langen, gleichmäßigen Strichen über ihr Haar, bis es knistert.
Carlotta schaut fasziniert zu. Egal wie lange sie sich kämmt und bürstet – so einen seidigen Schimmer bekommen ihre Haare nie!
Beim Abendessen herrscht das übliche Gedränge im alten Rittersaal des Schlosses, der als Speisesaal dient. Das Stimmengewirr und der intensive Essensgeruch rauben Carlotta für einen Moment
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