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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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»Hübscher Name. Pjotr hat immer gesagt, wir alle sollten bereit sein zu sterben, um dir die Freiheit zu schenken. Dann ist er losgegangen und hat’s getan.«
    »Ich hab ihn nicht drum gebeten – um nichts von alldem hab ich je gebeten.«
    »Doch da stehst du.« Jetzt war es Deirdre, die einen schärferen Ton anschlug. »Ich hab ihn nicht mal begraben können, weißt du das? Wir sind alle gerannt. Jiri mit dir auf dem Arm. Pjotr war überzeugt, das andre Objekt, der Junge, sei noch irgendwo da drin. Sicherheits-Leute schwärmten aus. Wir hatten unsern Vorteil verloren, den Überraschungseffekt. Vielleicht wenn einer von uns ihn begleitet hätte …« Mit eisernem Griff umklammerte sie ihre Knie, presste das Blut aus ihren langen, eleganten Fingern. »Aber ich bin gerannt. Ich wollte nicht sterben.«
    Sie drehte ihre Handfläche nach oben. Das grobkörnige Porträt eines Mannes erschien in der Luft. Er hatte langes schwarzes Haar, das ihm in Strähnen über die Augen fiel, eine spitze Nase und schmale, ernste Lippen, die er gedankenversunken schürzte.
    »Das ist er«, sagte Deirdre und schob das Bild zu ihr hin. »Mein Mann.«
    Mistletoe stellte sich diesen Mann vor, wie er zusammen mit Jiri, Deirdre und Tante Dita in einer engen Baracke hockte, wie sie miteinander stritten, lachten, Musik hörten. Es war seltsam, sich Jiri –
besonders
Jiri – als jungen Mann mit Freunden zu denken.
    »Was waren Sie, so ’ne Art Gang?«
    Deirdre ließ das Bild verschwinden. »Unser Ding waren Bomben. Wir waren jung genug, um zu glauben, dass ein Loch in den Sphärenschild zu sprengen der Startfunke einer Revolution sein würde.« In höhnischer Jubelpose riss sie die Arme hoch. »Dann kamen Magnus und Ivor zu uns mit streng geheimen Informationen über UniCorp, den großen glänzenden Leitstern aller Oberstadt-Mächtigen. Zwei Versuchsobjekte. Natürlich konnten sie uns nicht sagen, wozu ihr da wart. Nur dass ihr für Martin Truax wichtig wart. Und für uns, damals, war das genug.«
    »Der Junge ist jetzt frei«, sagte Mistletoe. »Sein Name ist Ambrose.«
Also ist Ihr Mann nicht umsonst gestorben
, hätte sie beinahe hinzugefügt – sah aber ein, dass es billig und armselig klingen und wenig Trost bieten würde.
    Deirdre nickte. Dann, widerstrebend, entrang sie sich einen bedächtigen Satz: »Ich glaube … ich glaube, er war da, um mit mir zu reden.«
    Mistletoe musste sich zurückhalten, um Deirdre nicht bei den Schultern zu packen. »Er war
hier

    »Nein.« Sie begann, ihre Finger nervös zu komplizierten Skulpturen zu verdrehen. »Eigentlich sollte ich dir das gar nicht erzählen. Niemand weiß davon. In Unison wechsle ich zwischen mehreren ID s hin und her, aber beruflich verwende ich eine ganz bestimmte. Ein Teenager, ein Mädchen, wie du. Die Leute in der App-Industrie sind nicht ganz so sehr auf der Hut, solange sie denken, dass sie’s mit jemandem zu tun haben, der jung und naiv ist. Außerdem ist es … einfach schön, wieder ein Mädchen zu sein, wenn auch nur für eine Weile.
    Jedenfalls brachte einer meiner Gaming-Kontakte einen neuen User namens Adam Trevor zu mir, der ein paar ziemlich heftige Fragen hatte. Er steht auf Möbeldesign und singt gern Popsongs.«
    »Das ist er nicht. Ich hab doch gesagt, er heißt Ambrose. Und hat nichts andres als seinen dämlichen Job im Kopf.«
    Sie hob eine Hand. »Eben das ist der Punkt: Ganz offensichtlich war er nicht der, für den er sich ausgab. Gefälschtes Log-in, gefälschtes Profil, genau wie meins. Und er hatte es auf geheime Infos über Unison 3.0 abgesehen.«
    »Hat er gesagt, wo er hinwill?«
    »Hat er nicht. Er ist plötzlich völlig durchgedreht. Sein Gedanken-Stream war
schmerzhaft
, so als wäre er mit einer Million neuer Freunde gleichzeitig geflutet worden. Und der Ausdruck auf seinem Gesicht – er schien buchstäblich in einem Albtraum gefangen zu sein. Ich jedenfalls werde nach dieser Sache sicherheitshalber eine Weile draußen bleiben. Soll dieses Upgrade sich erst mal stabilisieren, soll Martin tun, was immer er vorhat. Ich gehe erst zurück, wenn alles rund läuft.«
    »Aber Ambrose braucht Hilfe.«
    »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Ich bin jetzt eine ESCU -Professorin. Ich hab ein Leben hier oben.«
    »Dann bringen Sie eben mich da rein.«
    »Du möchtest ihm helfen? Das Beste, was du machen kannst, ist zu verschwinden. Verlass die Stadt und halt dich von Unison fern.«
    »Wenn ich weglaufe und er stirbt, dann bin ich …« Sie

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