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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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bremste sich.
    »Beende den Satz.«
    »Vergessen Sie’s.«
    Deirdres Stimme war eisig. »Beende den Satz, den du grade sagen wolltest.«
    Mistletoe stemmte die Hände in die Hüften. »Wenn ich weglaufe und er stirbt, bin ich genau wie Sie, dann rede ich irgendwann auch bloß über die Dinge, die ich hätte tun sollen, als ich die Chance dazu hatte.«
    Deirdres Mund bebte kurz. Sie nickte beinahe unmerklich, dann drehte sie sich in ihrem Stuhl herum und ließ ihre Handfläche über die kahle Wand neben ihr gleiten. Eine rechteckige Platte schob sich beiseite und gab den Blick auf mehrere orangefarbene Gefäße frei. Deirdre wählte eins aus und schraubte den Deckel ab, dann zog sie eine durchsichtige Gelatinekapsel von der Größe ihres Daumens daraus hervor und warf sie Mistletoe zu.
    »Was ist das?«
    Im Innern der Kapsel wimmelte es von Lebensformen, winzigen silbernen und schwarzen Tierchen, die wie Miniaturversionen von Slivs Kamerainsekt hin und her flitzten.
    »Der frühe Prototyp eines Geräts zum Log-in ohne Hartkodierung, an dessen Entwicklung ich mitarbeite.«
    Mistletoe beäugte die kleine Insektenkolonie. »Eklig.«
    »Es ist unser erster Versuch und daher ein ziemlich simples Einmal-Log-in. Du wirst imstande sein, dich durch Unison zu bewegen, allerdings ohne Profil und Gedanken-Stream. Es wird nicht darauf reagieren, wo du dich gerade befindest. Du kannst keine Freundschaften schließen. Wenn du bereit bist auszuflimmern, drück die Handflächen an deine Schläfen. So müsste es funktionieren.«
    »Sie meinen, Sie wissen es nicht?« Die Kapsel hüpfte und rasselte in Mistletoes Hand. Fast hätte sie sie fallen lassen.
    »Ist noch nie getestet worden.«
    »Und Sie wollen mir das Ding in die
Hand
bohren?«
    »Nein, nichts dergleichen«, versicherte Deirdre ihr. »Du wirst es essen.«

12

Launch-Party
    Ambrose schrie, den ganzen Weg die steile Rutschbahn hinab, die sich in unvorhersehbaren Windungen durch die Wände des UniCorp-Gebäudes schlängelte. Er versuchte, seinen Mund geschlossen zu halten, aber die scharfen Richtungswechsel gepaart mit dem irrsinnigen Tempo, in dem er durch völlige Dunkelheit jagte, schienen die Angstschreie buchstäblich aus seinen Lungen herauszuzerren. Trotzdem, sosehr sich ihm bei der rasenden Schussfahrt durch den Schacht der Magen umdrehte, an einem klaren Gedanken hielt er sich fest: Len hatte es fertiggebracht, eine Garde aus abtrünnigen Sicherheitskräften um sich zu scharen und die Pläne seines eigenen Vaters zu untergraben, und das alles, während er seine Tarnung als tadelloser Bürokrat aufrechterhielt. Noch dazu hatte er alles riskiert – und verloren –, um es für Ambrose zu tun.
    Die Rutschbahn wich leerem Raum. Jetzt glitt er nicht mehr abwärts, jetzt fiel er.
    Sein Schrei hing kurz um ihn herum in der Luft, dann verhallte er den Schacht hinauf. Ambrose entfuhr ein scharfes
Hrrrmmpphhhh
, als er mit dem Hintern voran auf etwas Weichem, wenn auch nicht
allzu
Weichem landete.
    Temperfoam. Er versank in den Falten, die allmählich eine anschmiegsame Mulde um ihn bildeten. Dann gab der Schaum plötzlich nach, und er plumpste in einen Haufen aus Decken und Kissen auf dem Boden einer schrankgroßen Kammer, in der eine einzelne Lampe brannte. Ambrose rappelte sich auf und atmete ein paarmal tief durch, um seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Er berechnete die Geschwindigkeit seiner Rutschpartie sowie die ungefähre Höhe des Gebäudes und ermittelte, dass er sich ein paar Meter unter Straßenniveau befinden musste, in etwa derselben Tiefe wie Lens privater Eingang.
    Vor sich in der Wand sah er eine schmale Öffnung. Nach einem weiteren Kurztrip durch einen diesmal gnädigerweise horizontalen Tunnel fand er sich in einem engen, kargen Raum wieder, in dem ein schwarzer UniCorp-Sicherheitswagen stand. Er nahm sich einen Moment Zeit, um mit der Hand über das glatte, gerundete Dach zu streichen, das sich zurückwölbte und in einer glänzenden Spitze mit dem Fahrgestell verschmolz. Er ließ die Tür aufgleiten.
    »Danke, großer Bruder.«
    Sobald Ambrose sich auf den Sitz geschoben hatte, öffnete sich die Decke der behelfsmäßigen Garage und gab den Blick frei auf eine klare, rosafarbene Morgendämmerung, die soeben über Eastern Seaboard City anbrach. Die Wagentür schloss sich. Die Konsole erwachte blinkend zum Leben. Sein Bruder hatte das Autopilot-System mit einer vorgeplanten Route programmiert.
    Die dreispuligen Ionen-Auftriebe sprangen an und das

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