Carre, John le
abzuheben.
20. Kapitel
HEIMKEHR
Er stellte
Rucksack und Koffer ab und inspizierte das Zimmer. Neben dem Fenster war eine
elektrische Steckdose. Die Tür hatte kein Schloß, deshalb stellte er den
Lehnstuhl davor. Er zog die Schuhe aus und legte sich aufs Bett. Er dachte an
die Finger des Mädchens, die über seine Hände strichen und an das nervöse
Zittern ihrer Lippen. Dann fiel ihm der trügerische Blick ein, mit dem sie ihn
aus dem Dunkel heraus beobachtet hatte, und er fragte sich, wie lange es dauern
würde, bis sie ihn verriet. Avery fiel ihm ein: die menschliche Wärme und
typisch englische Anständigkeit am Beginn ihrer Kameradschaft. Er sah wieder
sein junges, im Regen glänzendes Gesicht vor sich und den scheuen, verwirrten
Ausdruck Averys, als er seine Brille abwischte, und er dachte: sicher hat er
nie etwas anderes als zweiunddreißig gesagt. Ich habe mich verhört. Er sah zur
Decke. In einer Stunde würde er die Antenne spannen.
Das Zimmer
war groß und kahl, und in einer Ecke gab es ein rundes Waschbecken aus Marmor.
Unter dem Becken führte ein Rohr zum Fußboden, und er hoffte, daß es für die
Erdung genügen würde. Er drehte den Wasserhahn auf, und zu seiner Erleichterung
kam kaltes Wasser, denn Jack hatte gesagt, bei einer Heißwasserleitung sei es
riskant. Er nahm sein Messer und kratzte das Rohr an einer Seite sorgfältig
sauber. Die Erdung war sehr wichtig - Jack hatte das gesagt. Wenn es gar
keine andere Möglichkeit gibt, hatte er gesagt, dann legen Sie das Erdkabel im
Zick-Zack unter den Teppich, und zwar in der gleichen Länge, die die Antenne
hat. Aber es gab hier keinen Teppich.
Er mußte
es mit dem Rohr versuchen. Kein Teppich, keine Gardinen.
An der
gegenüberliegenden Wand stand ein ausladender schwerer Kleiderschrank. Früher
mußte es einmal das beste Hotel am Platz gewesen sein. Es roch nach türkischen
Zigaretten und Desinfektionsmitteln. Die Wände waren grau getüncht, und die
Feuchtigkeit hatte über sie dunkle Schatten verteilt, nach der gleichen
geheimnisvollen Eigengesetzlichkeit des Mauerwerks, durch die auch der trockene
Streifen entstanden war, der quer über die Decke lief. An manchen Stellen war
der Verputz abgebröckelt und hatte gezackte Inseln aus weißem Schimmel
hinterlassen, an anderen hatte er sich zusammengezogen und die Sprünge waren
vom Maler mit der gleichen Masse gefüllt worden, die in den Ecken des Zimmer
weiße Flußläufe zeichnete. Leiser s Blick folgte ihnen aufmerksam, während er
angestrengt auf das leiseste Geräusch außerhalb des Raumes achtete. An der Wand
hing ein Bild. Es zeigte Feldarbeiter und ein Pferd vor einem Pflug. Am
Horizont war ein Traktor zu sehen. Er hörte Johnsons gutmütige Stimme die
Anweisungen wegen der Antenne herunterleiern: »In einem geschlossenen Raum ist
es ein Jammer, und es wird in einem geschlossenen Raum sein. Also hören Sie
zu: im Zick-Zack durchs Zimmer, ein Viertel Ihrer Wellenlänge und dreißig
Zentimeter unterhalb der Decke. Zwischenräume möglichst weit, Fred, und auf
keinen Fall parallel zu Eisenträgern, elektrischen Leitungen und derartigem.
Lassen Sie sie gestreckt, biegen Sie sie nicht auf sich selbst zurück, sonst
gibt's eine schöne Schweinerei, klar?« Immer der gleiche Scherz, die Anspielung
auf den Geschlechtsakt, um das Gedächtnis eines einfachen Mannes zu stützen.
Leiser dachte: Ich werde sie zum Bilderrahmen spannen und von dort hin und her
bis zur hinteren Ecke. In diesen weichen Verputz werde ich sicher einen Nagel
stecken können. Er sah sich nach einem Nagel oder etwas Ähnlichem um und
entdeckte im Holz des Fensterrahmens einen alten Gardinenhaken. Er stand auf
und schraubte den Griff seines Rasierapparates auf. Man mußte ihn dazu nach
rechts drehen, was allgemein für einen genialen Einfall gehalten wurde, da ein
mißtrauischer Fremder, den Griff wie üblich nach links zu drehen versuchte,
gegen das Gewinde schrauben würde. Aus der Höhlung zog er das zusammengefaltete
Seidentuch heraus und glättete es mit seinen dicken Fingern über dem Knie. In der
Tasche fand er einen Bleistift. Er spitzte ihn, wobei er auf der Bettkante
sitzen blieb, damit ihm das Seidentuch nicht verrutschte. Zweimal brach ihm die
Spitze ab. Zwischen seinen Füßen sammelten sich auf dem Boden die Späne an.
Dann begann er in seinem Notizbuch zu schreiben. Er kritzelte mit großen
Buchstaben wie ein Häftling, der an seine Frau schreibt, und um jeden Punkt zog
er einen Kreis, wie man es ihm
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