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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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eine
Möglichkeit ein, die man nicht zu mißachten wagt. Wir erhalten den Befehl,
einen Mann auszuwählen, ihn loszuschicken. So ist es immer gewesen. Viele
sind nicht zurückgekommen. Sie wurden ausgeschickt, um Zweifel zu klären. Wir
mußten sie schicken, weil wir auf eindeutiges Wissen angewiesen sind, verstehen
Sie das nicht? - Jeder von uns hat Augenblicke wie diesen, John. Glauben Sie
nicht, daß es immer leicht ist.« Er lächelte voller Erinnerungen. »Wir hatten
oft Skrupel - wie Sie. Wir mußten sie überwinden. Wir nannten das den zweiten
Schwur.« Er lehnte sich zwanglos gegen den Schreibtisch. »Den zweiten Schwur«,
wiederholte er. »Also, John, wenn Sie warten wollen, bis die Bomben fallen,
bis die Menschen in den Straßen sterben.« Er war plötzlich ernst, als enthülle
er seinen Glauben. »Es ist viel schwerer im Frieden, ich weiß. Es erfordert
Mut. Eine ganz andere Art Mut.«
    Avery
nickte. »Es tut mir leid«, sagte er. Haldane beobachtete ihn voll Abscheu.
»Der Direktor meint damit«, sagte er scharf, »daß - falls Sie in der
Organisation bleiben und die Arbeit machen wollen - Sie es tun sollen. Wenn Sie
jedoch Ihre Emotionen pflegen wollen, dann gehen Sie bitte woandershin und tun
Sie es dort in Frieden. Wir sind hier zu alt für Ihresgleichen.« Avery klang noch
immer Sarahs Stimme im Ohr, und er konnte die Reihen kleiner Häuser im Regen
vorbeiziehen sehen. Er versuchte, sich ein Leben ohne die Organisation
vorzustellen. Er erkannte, daß es zu spät war, weil es schon immer zu spät
gewesen war, weil er um des Wenigen willen, das sie ihm geben konnten, zu
ihnen gekommen war, und sie nahmen ihm das Wenige, das er besaß. Wie ein
zweifelnder Priester hatte er das Gefühl gehabt, daß - was auch immer sein
zaghaftes Herz bergen mochte - es sicher an seinem Zufluchtsort aufgehoben sei:
jetzt war es verschwunden. Er sah Leclerc und dann Haldane an. Sie waren seine
Kollegen. Alle drei würden sie, Gefangene des Schweigens, Seite an Seite
arbeiten, die harte Scholle in jeder Jahreszeit aufbrechen; sie waren einander
fremd und sie brauchten einander in einer Wildnis preisgegebenen Glaubens.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?« fragte Haldane.
    Avery murmelte: »Wie, bitte?«
    »Sie waren nicht im Krieg, John«,
sagte Leclerc freundlich. »Sie verstehen nicht, wie diese Dinge sich der
Menschen bemächtigen. Sie wissen nicht wirklich, was Pflicht ist.«
    »Ich weiß«, sagte Avery. »Es tut
mir leid. Ich möchte mir gerne das Auto für eine Stunde ausborgen. Sarah etwas
schicken, wenn das geht.«
    »Natürlich.«
    Ihm fiel ein, daß er Anthonys
Geschenk vergessen hatte. »Es tut mir leid«, sagte er nochmals. »Übrigens« -
Leclerc öffnete eine Schublade des Schreibtisches und nahm einen Umschlag
heraus. Er reichte ihn Avery mit einer nachsichtigen Gebärde.
    »Das ist Ihr Ausweis, ein
Sonderausweis vom Ministerium. Damit Sie sich legitimieren können. Er lautet
auf Ihren eigenen Namen. Sie werden ihn in den nächsten Wochen vielleicht
brauchen.«
    »Danke.«
    »Nehmen Sie ihn heraus.«
    Es war ein
Stück dicken, in Zellophan eingeschlagenen grünen Kartons, dessen Farbe
verwaschen schien und dem unteren Rand zu dunkler wurde. Sein Name war mit
einer elektrischen Schreibmaschine in Großbuchstaben quer darüber geschrieben:
Mr. John Avery. Darunter stand, daß der Besitzer berechtigt sei, im Auftrag des
Ministeriums Erhebungen durchzuführen. Die Unterschrift war mit roter Tinte
gemacht worden.
    »Danke.«
    »Damit
sind Sie sicher«, sagte Leclerc. »Der Minister hat ihn unterschrieben. Mit
roter Tinte, sehen Sie. Das ist Tradition.«
    Avery ging
in sein Zimmer zurück. Es gab Zeiten, da stand er seinem Spiegelbild wie einem
leeren Tal gegenüber, und diese Vision trieb ihn dann vorwärts, in Erfahrungen
hinein, wie Verzweiflung uns zum Selbstmord treiben kann. Manchmal war er wie
ein Mensch auf der Flucht, der aber gegen den Feind stürmt in der verzweifelten
Sehnsucht danach, die Hiebe auf seinem zerfallenden Körper zu fühlen, da nur
sie allein ihm noch beweisen konnten, daß es ihn noch immer gab; in der
verzweifelten Sehnsucht, seiner von trüber Gleichförmigkeit geprägten Existenz
den Stempel eines echten Zieles aufzudrücken, voll verzweifelter Sehnsucht
danach - wie Leclerc angedeutet hatte -, sein Gewissen zu opfern, um Gott zu
finden.
     
    Dritter Teil
     
    LEISERS EINSATZ
     
    »Sich wie ein Schwimmer springend
in die Reinheit werfen, frohgemut fort von einer Welt, die alt

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