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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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Flecken, den schlaffen, unruhigen Körper und die sich sanft bewegenden
Hände - und da huschte über sein Gesicht der Schatten eines schmerzlichen
Erkennens, als habe er die Überreste eines Freundes zu identifizieren. »Sie
sind doch nicht etwa Captain Hawkins, oder?«
    »Doch.«
    »Guter Gott«, sagte Leiser, ohne
sich zu bewegen. »Ihr also habt euch nach mir erkundigt!«
    »Wir suchen einen Mann mit Ihrer
Erfahrung, jemanden wie Sie.«
    »Wozu
brauchen Sie ihn, Sir?«
    Er hatte
noch immer keine Bewegung gemacht. Man konnte nur sehr schwer sagen, was er
dachte. Sein Blick war auf Haldane gerichtet. »Um einen Auftrag auszuführen.
Nur einen Auftrag.« Leiser lächelte, als falle ihm plötzlich wieder alles ein.
Er wies mit einer Kopfbewegung zum Fenster. »Da drüben?« Er meinte irgendwo
jenseits des draußen fallenden Regens. »Ja.«
    »Wie ist es mit dem Zurückkommen?«
    »Die normalen Vorschriften. Es ist
dem Mann im Feld überlassen. Die Kriegsvorschriften.« Leiser kramte in seinen
Taschen und brachte Zigaretten und Streichhölzer zum Vorschein. Der Wellensittich
sang in seinem Käfig.
    »Die
Kriegsvorschriften. - Sie rauchen?« Er nahm sich eine Zigarette und zündete sie
an, wobei er mit seinen Händen eine Muschel um die Flamme formte, als müsse er
sie vor einem starken Sturm schützen. Das Streichholz ließ er auf den Boden
fallen, wo es jemand anderer aufheben mochte. »Guter Gott«, wiederholte er, »zwanzig
Jahre. Damals war ich ein Kind. Ein richtiges Kind.« Haldane sagte: »Ich bin
sicher, daß Sie es nicht bereuen. Wollen wir etwas trinken gehen?« Er gab Leiser
eine Visitenkarte. Noch druckfrisch stand darauf: Captain A. Hawkins. Darunter
stand eine Telefonnummer.
    Leiser las
und zuckte mit den Schultern. »Mir ist's recht«, sagte er und holte seinen
Mantel. Noch ein Lächeln, ungläubig diesmal, »aber Sie vergeuden Ihre Zeit mit
mir, Captain.«
    »Vielleicht kennen Sie jemanden.
Noch vom Krieg her, jemanden, der es übernehmen würde.«
    »Ich kenne nicht viele Leute«,
sagte Leiser. Er nahm seine Jacke vom Haken und einen dunkelblauen Nylonregenmantel.
Er beeilte sich, Haldane die Tür zu öffnen, als lege er auf gute Form Wert.
Sein Haar war wie Vogelschwingen sorgfältig übereinandergelegt. Auf der
gegenüberliegenden Seite der Straße war eine Kneipe. Um sie zu erreichen,
mußten sie eine Fußgängerbrücke überqueren. Der dichte Verkehr der abendlichen
Stoßzeit donnerte unter ihnen vorbei und die dicken, kalten Regentropfen
schienen ihn begleiten zu wollen. Die Kneipe war im Tudorstil eingerichtet,
mit neuen Pferdegeschirren an den Wänden und einer auf Hochglanz polierten
Schiffsglocke. Leiser bestellte einen White Lady. Er trinke niemals was anderes,
sagte er. »Einem Drink treu bleiben, Captain, das ist mein Rat. Dann werden Sie
keine Schwierigkeiten haben. Zum Wohl.«
    »Es müßte
jemand sein, der die alten Tricks kennt«, bemerkte Haldane. Sie saßen in der
Ecke neben dem Kaminfeuer. Sie hätten ebensogut über Geschäfte sprechen können.
»Es ist ein sehr wichtiger Job. Man zahlt viel mehr als im Krieg.« Er lächelte
düster. »Man zahlt überhaupt viel, heutzutage.«
    »Na ja,
Geld ist nicht alles, oder?« Eine steife kleine Phrase, die er von den
Engländern gelernt hatte. »Man hat sich an Sie erinnert, Leute, deren Namen Sie
längst vergessen haben, falls Sie sie überhaupt je kannten.« Ein nicht
überzeugendes Lächeln der Erinnerung kräuselte seine dünnen Lippen: es mochte
Jahre her sein, seit er zum letztenmal gelogen hatte. »Sie haben einen
ziemlichen Eindruck hinterlassen, Fred. Es gab nicht viele, die so gut waren
wie Sie. Selbst nach zwanzig Jahren.«
    »Im alten
Verein denkt man also an mich?« Er schien dankbar dafür zu sein, aber auch
schüchtern, als stünde es ihm nicht zu, daß man sich seiner erinnerte. »Ich war
ja nur ein Kind, damals«, wiederholte er. »Wen gibt's denn noch, wer ist noch
dabei?« Haldane, der ihn beobachtete, antwortete: »Ich habe Sie gewarnt, Fred,
wir haben noch immer dieselben Regeln. Nur was man wirklich wissen muß - wie damals.«
Es klang streng.
    »Guter
Gott«, sagte Leiser. »Alles wie früher. Immer noch so groß, der Laden?«
    »Größer.« Haldane ging zur Bar und
holte noch einen White Lady. »Kümmern Sie sich viel um Politik?« Leiser hob
seine sauber gewaschene Hand und ließ sie wieder fallen.
    »Sie
wissen, wie wir hier sind«, sagte er, »in England. Nicht wahr?« Der Ton, in dem
er dies sagte, enthielt die

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