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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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wirklich recht gut.«
    Auf seinem
Schreibtisch lag ein weißhölzerner Zeigestab wie eine Riesennadel, durch die
eine rosa Schleife gezogen war. Er hatte ein neues Telefon, grün und schicker
als Averys, mit der Aufschrift >Vorsicht! Feind hört mit!< Haldane und
Leclerc studierten eine Weile die Karte, wobei sie manchmal in die Mappe mit
Telegrammen schauten, die Leclerc wie ein Chorknabe sein Psalmenbuch offen in
beiden Händen hielt. Endlich wandte er sich zu Avery und sagte: »Also, was ist,
John?« Jetzt warteten sie, daß er sprach. Er fühlte, wie sein Zorn verebbte,
obwohl er ihn gerne noch länger ausgekostet hätte. Er wollte entrüstet herausschreien:
»Wie können Sie es wagen, meine Frau hineinzuziehen?« Er Wollte die
Beherrschung verlieren, aber er konnte es nicht. Sein Blick war auf die Karte
geheftet. »Also?«
    »Die
Polizei war bei Sarah. Sie weckten sie mitten in der Nacht. Zwei Mann. Ihre
Mutter war bei ihr. Sie kamen wegen der Leiche auf dem Flughafen, wegen Taylors
Leiche. Sie wußten, daß der Paß falsch war und glaubten, sie habe mit der Sache
zu tun.« Dann wiederholte er lahm: »Sie haben sie aufgeweckt!«
    »Wir
wissen davon. Die Sache ist bereits geklärt. Ich wollte es Ihnen schon sagen,
aber Sie ließen mich nicht dazu kommen. Die Leiche ist freigegeben worden.«
    »Es war nicht in Ordnung, Sarah da
hineinzuziehen.« Haldane hob schnell den Kopf: »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Diese
Sache gehört nicht in unseren Aufgabenbereich.« Es klang sehr frech. »Wir
sollten die Finger davon lassen. Wir sollten sie dem Rondell übergeben. Smiley
oder irgend jemand - das sind die zuständigen Leute, nicht wir.« Er fuhr mühsam
fort. »Ich glaube diesem Bericht nicht. Ich glaube nicht, daß er wahr ist! Es
würde mich nicht wundern, wenn dieser Flüchtling überhaupt nicht existierte,
wenn Gorton die ganze Angelegenheit erfunden hätte. Ich glaube nicht, daß Taylor
ermordet worden ist!«
    »Ist das
alles?« fragte Haldane. Er war sehr böse.
    »Damit
möchte ich nicht weiter zu tun haben. Mit der Operation, meine ich. Es ist
nicht in Ordnung.« Er sah auf die Karte und dann zu Haldane. Er lachte etwas
dümmlich. »Während ich die ganze Zeit einen toten Mann gejagt habe, waren Sie
hinter einem lebenden her! Das ist leicht hier, in der Traumfabrik... aber
draußen leben Menschen, wirkliche Menschen!« Leclerc berührte Haldane sanft am
Arm, als wolle er damit sagen, laß, ich werd' das schon in Ordnung bringen. Er
schien nicht beunruhigt. Er schien fast dankbar zu sein, Symptome zu erkennen,
die er schon früher diagnostiziert hatte. »Gehen Sie in Ihr Zimmer, John, Sie
sind übermüdet.«
    »Aber was
sage ich Sarah?« Er sprach voll Verzweiflung.
    »Sagen Sie
ihr, man werde sie nicht mehr belästigen. Sagen Sie, es habe sich um ein
Mißverständnis gehandelt - sagen Sie ihr, was Sie wollen. Essen Sie etwas
Warmes und kommen Sie in einer Stunde zurück. Im Flugzeug wird man ja nicht
satt. Dann werden Sie uns den Rest erzählen.« Leclerc lächelte das gleiche
saubere, leere Lächeln, das er auf dem Foto inmitten der toten Flieger hatte.
Als Avery die Tür erreicht hatte, hörte er sanft und liebevoll seinen Namen rufen.
Er blieb stehen und sah zurück. Leclerc hob eine Hand vom Schreibtisch, und mit
einer halbkreisförmigen Handbewegung wies er auf den Raum, in dem sie standen.
    »Ich werde
Ihnen etwas sagen, John. Während des Krieges waren wir in der Baker Street. Wir
hatten dort einen Keller, den das Ministerium für den Notfall als Zentrale für
die Einsatzleitung hergerichtet hatte. Adrian und ich haben viel Zeit dort
unten verbracht. Sehr viel Zeit.« Er warf einen Blick auf Haldane. »Erinnerst
du dich, wie die Öllampe wackelte, wenn oben die Bomben fielen? Wir mußten mit
Situationen fertig werden, in denen wir nur ein Gerücht gehört hatten, John.
Nicht mehr. Ein Hinweis mußte uns oft genügen, das Risiko auf uns zu nehmen,
einen, oder wenn nötig zwei Mann loszuschicken, von denen manchmal keiner
zurückkam.
    Oder es
war nichts dahinter. Gerüchte, eine Vermutung, eine Spur, die man verfolgte.
Man vergißt leicht, woraus Abwehr besteht: aus Glück und Spekulation. Hier und
da ein unerwarteter Glücksfall, da und dort ein Fang. Manchmal stolpert man
über eine Sache wie diese: es kann ebensogut sehr viel dahinterstecken wie auch
einfach nichts. Der Hinweis kann von einem Bauern in Flensburg stammen,
ebensogut aber auch von einem Universitätsprofessor. Beides aber schließt

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