Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)
Tatsache, daß man von ihm erwartet
hätte, er habe sie abgeschlossen, hätte vielleicht seine Frau bemerken können,
daß er sie nicht bei sich hatte, als sie fortgingen - oder Sie hätten es
bemerken können, oder Miss Truebody -, aber glücklicherweise bemerkte es
niemand. Er holt also die Mappe, eilt zurück, tötet seine Frau, fabriziert die
Hinweise, die die Polizei irreführen. Er wirft Cape, Stiefel und Handschuhe in
das Flüchtlingspaket, verschnürt es und trifft Vorbereitungen, sein Entkommen
zu sichern. Er wird vielleicht von der verrückten Janie erschreckt, erreicht
aber die Gasse und betritt von neuem das Haus als Stanley Rode. Fünf Minuten
später ist er bei den D'Arcys. Von da an ist er für die nächsten achtundvierzig
Stunden unter ständiger Überwachung. Vielleicht wußten Sie das nicht, Fielding,
aber die Polizei fand die Mordwaffe sechs Kilometer straßenabwärts in einem
Graben. Sie fand sie zehn Stunden nach der Entdeckung des Mordes, lange bevor
Rode eine Chance hatte, sie dorthin zu werfen.
Darauf
aber kommt es an, Fielding. Darüber kann die Polizei nicht hinwegkommen. Ich
nehme an, es wäre möglich, eine fingierte Mordwaffe herzustellen. Rode hätte
Haare von Stellas Kamm nehmen, sie mit Menschenblut auf ein Stück Koaxialkabel
kleben und das Ding in einen Graben legen können, bevor er den Mord beging. Aber das einzige Blut, das er
benutzen konnte, war sein eigenes - das zu einer anderen Blutgruppe gehört. Das
Blut an der Waffe, die die Polizei fand, gehörte zu Stellas Blutgruppe. Er hat
es also nicht getan. Es gibt einen noch konkreteren Beweis, der mit dem Paket
zu tun hat. Rigby sprach gestern mit Miss Truebody. Es scheint, daß sie mit
Stella Rode telefoniert hat, am Morgen des Tages, an dem sie ermordet wurde. In
Ihrem Auftrag telefoniert hat, Fielding, um zu bestellen, daß ein Junge am
Donnerstagvormittag einige alte Kleider nach North Fields bringen würde -
würde sie wohl bis dahin das Paket bestimmt offenlassen... Was drohte Stella
an, Fielding? Einen anonymen Brief an Ihre nächste Schule zu schreiben?«
Dann legte
Smiley seine Hand auf Fieldings Arm und sagte: »Gehen Sie jetzt in Gottes
Namen, gehen Sie jetzt. Es ist sehr wenig Zeit, um Adrians willen, gehen Sie
jetzt«, und Ailsa Brimley flüsterte etwas, was er nicht verstehen konnte.
Fielding
schien nicht zu hören. Er hatte den großen Kopf zurückgeworfen, die Augen halb
geschlossen, hielt sein Weinglas noch immer zwischen den dicken Fingern. Und
die Türglocke erklang wie der Schrei einer Frau in einem leeren Haus.
Smiley
erfuhr nie, was das Geräusch verursachte, ob es Fieldings Hände auf dem Tisch
waren, als er aufstand, oder sein Stuhl, der hintenüberfiel. Vielleicht war es
gar kein Geräusch, sondern einfach der Schock heftiger Bewegung, wenn man sie
am wenigsten erwartet; der Anblick Fieldings, der noch einen Augenblick zuvor
lethargisch in seinem Stuhl gesessen hatte und nun vorwärts durchs Zimmer
sprang. Dann hielt Rigby ihn, hatte Fieldings rechten Arm ergriffen und tat
etwas mit ihm, daß Fielding vor Schmerz und Angst aufschrie, sich unter dem
Zwang von Rigbys Griff herumdrehte, um ihnen ins Auge zu sehen. Dann sprach
Rigby die Verhaftung aus, und Fieldings entsetzter Blick fiel auf Smiley.
»Halten
Sie ihn auf, halten Sie ihn auf, Smiley, um Himmels willen! Sie werden mich
hängen!« Und er schrie die letzten zwei Worte wieder und wieder: »Mich hängen,
mich hängen«, bis die Kriminalbeamten von der Straße hereinkamen und ihn ohne
Förmlichkeit in einen wartenden Wagen schoben.
Smiley sah
zu, wie der Wagen abfuhr. Dieser beeilte sich nicht, suchte nur seinen Weg die
nasse Straße hinunter und verschwand. Smiley blieb noch lange stehen, nachdem
er fort war, und blickte zum Ende der Straße, so daß Vorübergehende ihn
merkwürdig anstarrten oder versuchten, seinem Blick zu folgen. Aber es gab
nichts zu sehen. Nur die halberleuchtete Straße und die Schatten, die sich auf
ihr dahinbewegten.
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