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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Fielding langsam; »rennt herum wie ein junger Hund und
versucht, seine Brötchen zu verdienen. Er strengt sich so an; habt ihr ihn bei
Schulwettkämpfen brüllen hören? Er hatte noch nie ein Rugbyspiel gesehen, bevor
er hierherkam. In den öffentlichen Schulen spielen sie ja kein Rugby - immer
nur Fußball. Erinnerst du dich, als er hier ankam, Charles? Es war faszinierend.
Zuerst war er sehr demütig und nahm alles in sich auf: die Spiele, die
Ausdrucksweise, die Manieren. Dann war es eines Tages, als sei ihm die Macht
der Rede gegeben, und er redete unsere Sprache. Es war erstaunlich, wie eine
Schönheitsoperation. Es war natürlich Felix D'Arcys Werk - ich habe nie etwas
Ähnliches gesehen.«
    »Die liebe
Mrs. Rode«, sagte Shane Hecht mit jener abstrakten Unbestimmtheit, die sie für
ihre giftigsten Aussprüche reservierte: »So süß... und solch simpler Geschmack,
findest du nicht? Ich meine, wem sonst wäre es auch nur im Traum eingefallen,
diese Porzellanenten an die Wand zu stellen? Die größeren vorne und die
kleineren dahinter. Reizend, findet ihr nicht? Wie in einem dieser Teeläden. Wo
sie die nur gekauft hat? Ich muß sie einmal fragen. Ich habe gehört, ihr Vater
lebt bei Bournemouth. Es muß sehr einsam für ihn sein, meint ihr nicht? So ein
vulgärer Ort; niemand, mit dem man sprechen kann.«
    Fielding
lehnte sich zurück und überblickte seine eigene Tafel. Das Silber war gut. Das
beste in Carne, hatte er sagen hören, und er war geneigt, dem zuzustimmen. In
diesem Semester verwendete er nur schwarze Kerzen. An derartige Einzelheiten
erinnerten sich die Leute, wenn man abgegangen war: »Der gute alte Terence -
wunderbarer Gastgeber. Er lud jedes Mitglied des Lehrkörpers während seines
letzten Semesters ein, wissen Sie, auch die Ehefrauen. Schwarze Kerzen,
eigentlich rührend. Es brach ihm das Herz, daß er sein Haus aufgeben mußte.«
Aber er mußte Charles Hecht ärgern. Shane würde das begrüßen. Sie würde ihn
dabei anfeuern, weil sie Charles haßte, weil sie in ihrem großen, häßlichen
Körper so listig war wie eine Schlange.
    Fielding
sah Hecht an, und dann Hechts Frau, und sie lächelte zurück, das langsame,
verkommene Lächeln einer Hure. Einen Augenblick stellte sich Fielding vor, wie
Hecht in dem dicken Körper wühlte: Es war eine Szene, die an Lautrec
gemahnte... ja, das war's! Charles, aufgeblasen und zylinderbehütet, steif auf
der Plüschbettdecke sitzend; sie massiv, hängebrüstig und gelangweilt. Das
Bild gefiel ihm: Pervers, den Dummkopf Hecht aus der spartanischen Sauberkeit
Carnes in die Pariser Bordelle des neunzehnten Jahrhunderts zu versetzen...
    Fielding
begann zu sprechen, oder vielmehr mit jenem Anschein freundlicher Objektivität,
den Hecht, wie er wußte, verabscheute, zu dozieren.
    »Wenn ich
auf meine dreißig Jahre in Carne zurückblicke, so wird mir bewußt, daß ich
noch weniger erreicht habe als ein Straßenkehrer.« Sie beobachteten ihn jetzt.
»Ich pflegte einen Straßenkehrer als eine im Vergleich zu mir inferiore Person
zu betrachten. Nun bezweifle ich das. Etwas ist schmutzig, er macht es sauber,
und der Zustand der Welt ist verbessert. Aber ich - was habe ich getan? Ich
habe die Stellung einer herrschenden Klasse verteidigt, die sich weder durch
Begabung noch Kultur oder Geist auszeichnet; habe für eine weitere Generation
die Konventionen eines toten Zeitalters lebendig erhalten.«
    Hecht, der
die Kunst, Fielding nicht zuzuhören, nie bis zur Vollendung gebracht hatte,
wurde rot und wetzte am anderen Tischende nervös herum.
    »Lehren
wir sie denn nicht, Fielding? Wie steht's denn mit unseren Erfolgen, unseren
Stipendien?«
    »Ich habe
nie in meinem Leben einen Jungen etwas gelehrt, Charles. Gewöhnlich war der
Junge nicht klug genug; manchmal war ich's nicht. Siehst du, bei den meisten
Jungen erlischt die Aufnahmefähigkeit in der Pubertät. Bei einigen hält sie an;
aber wo wir sie finden, geben wir in Carne uns alle Mühe, sie abzuwürgen. Wenn
sie unsere Anstrengungen überlebt, gewinnt der Junge ein Stipendium... Habe
Nachsicht mit mir, Shane; es ist mein letztes Semester.«
    »Letztes
Semester oder nicht, du übertreibst, Fielding«, sagte Hecht zornig.
    »Das ist
in Carne Tradition. Diese Erfolge, wie du sie nennst, sind die Fehlschläge, sind
die seltenen Jungen, die die Lehren von Carne nicht aufgenommen haben. Sie
haben den Kult der Mittelmäßigkeit ignoriert. Wir können nichts für sie tun.
Aber für die übrigen - die verwirrten

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