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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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kleinen Kleriker und die blinden kleinen
Soldaten -, für die ist die Wahrheit von Carne an die Wand geschrieben, und sie
hassen uns.«
    Hecht
lachte etwas schwerfällig.
    »Warum
kommen dann so viele zurück, wenn sie uns so sehr hassen? Warum erinnern sie
sich an uns und kommen uns besuchen?«
    »Weil wir,
mein lieber Charles, die Schrift an der Wand sind! Die einzige Lehre von Carne,
die sie nie vergessen. Sie kommen zurück, um uns zu lesen, siehst du das nicht?
Von uns haben sie das Geheimnis des Lebens erlernt: daß wir alt werden, ohne
weise zu werden. Sie haben erkannt, daß sich nichts ereignete, als wir
erwachsen wurden: kein blendendes Licht auf der Straße nach Damaskus, kein
plötzliches Gefühl der Reife!« Fielding legte den Kopf zurück und blickte zum
derben viktorianischen Fries an der Decke hinauf, und zum Schmutzring um die
Lampenrosette. »Wir sind nur ein bißchen älter geworden. Wir haben dieselben
Witze gemacht, dieselben Gedanken gedacht, dieselben Dinge gewollt. Jahraus,
jahrein, Hecht, waren wir dieselben, nicht weiser, nicht besser; wir haben in
den letzten fünfzig Jahren unseres Lebens alle zusammen nicht einen
selbständigen Gedanken gehabt. Sie fanden heraus, was für ein Schwindel das
alles war, Carne und wir: unsere akademische Kleidung, unsere Klassenzimmerscherze,
unsere schlauen kleinen Angebote, sie zu beraten. Und deswegen kommen sie Jahr
für Jahr zurück aus ihrem komplizierten, sterilen Leben, um dich und mich,
Hecht, fasziniert zu betrachten; wie Kinder, die an einem Grab nach dem
Geheimnis von Leben und Tod suchen. O ja, das haben sie von uns gelernt.«
    Hecht sah
Fielding einen Augenblick lang schweigend an.
    »Die
Flasche, Hecht?« sagte Fielding leichthin, versöhnlich, aber Hechts Augen
waren noch auf ihn gerichtet.
    »Wenn das
ein Scherz sein soll...«, begann er, und seine Frau bemerkte mit Befriedigung,
daß er außerordentlich zornig war.
    »Ich
wünschte, ich wüßte es, Charles«, antwortete Fielding mit scheinbarem Ernst.
»Ich wünschte wirklich, ich wüßte es. Ich dachte früher, daß es klug sei,
Tragödie mit Komödie zu vermengen. Nun wünschte ich, ich könnte sie
unterscheiden.« Er fand das eigentlich ganz gut.
    Sie
tranken den Kaffee im Wohnzimmer, wo Fielding beim Klatsch Zuflucht suchte,
aber Hecht ließ sich nicht ablenken. Fielding wünschte fast, er hätte ihn seine
Pfeife anzünden lassen. Dann erinnerte er sich seiner Vision von den Hechts in
Paris, und das stellte seine frohe Laune wieder her. Er war an diesem Abend
wirklich gut gewesen. Es gab Augenblicke, in denen er sich selbst überzeugte.
    Während
Shane ihren Mantel holte, standen die beiden Männer zusammen in der Halle, aber
keiner sprach.
    Shane kam
zurück, eine Hermelinstola, gelb vor Alter, über ihre breiten weißen Schultern
drapiert. Sie neigte ihren Kopf nach rechts, lächelte und reichte Fielding die
Hand zum Kuß.
    »Terence,
Darling«, sagte sie, als Fielding ihre dicken Finger küßte, »so liebenswürdig.
Und in deinem letzten Semester. Du mußt mit uns essen, ehe du gehst. So
traurig. So wenige von uns übrig.« Sie lächelte wieder, mit halb geschlossenen
Augen, um eine Gefühlsverwirrung anzudeuten, und folgte dann ihrem Mann auf die
Straße. Es war noch immer bitter kalt, Schnee lag in der Luft.
    Fielding
schloß und verriegelte sorgfältig die Tür hinter ihnen - vielleicht einen
Bruchteil früher, als es die Höflichkeit erforderte - und kehrte ins Eßzimmer
zurück. Hechts Portweinglas war noch etwa halbvoll. Fielding nahm es und goß
den Inhalt sorgsam in die Kristallflasche zurück. Er hoffte, daß Hecht nicht zu
aufgebracht war, denn er schätzte es nicht, bei den Leuten unbeliebt zu sein.
Er löschte die schwarzen Kerzen, indem er die Dochte zwischen Zeigefinger und
Daumen drückte. Dann drehte er das Licht an, nahm ein billiges Notizbuch von
der Anrichte und öffnete es. Es enthielt eine Liste seiner Dinnergäste für den
Rest des Semesters. Mit seiner Füllfeder machte er ein ordentliches Häkchen an
dem Namen Hecht. Die waren erledigt. Am Mittwoch würde er die Rodes bei sich
haben. Der Mann hatte einigen Wert, aber sie war natürlich gräßlich... Das war
bei Ehepaaren nicht immer so. In der Regel waren die Frauen viel sympathischer.
    Er öffnete
die Anrichte und nahm eine Flasche Brandy und einen Schwenker heraus. Beide in
einer Hand haltend, mit der anderen beim Gehen an der Wand Halt suchend,
schlurfte er mürrisch ins Wohnzimmer zurück. Gott! Er fühlte

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