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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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den Wagen wieder ab und ging über die Straße zu einem
Telefonhäuschen. Er rief Scotland Yard an, bekam mit der Sonderabteilung
Verbindung und fragte nach Inspektor Mendel. Aber es sah so aus, als hätte sich
der, nachdem er seinem Vorgesetzten Meldung erstattet hatte, in heimlicher
Vorwegnahme der Freuden des Pensionistenstandes nach Mitcham begeben. Smiley
bat um seine Adresse, erhielt sie nach einigem Herumflunkern, fuhr nochmals
los, drei Seiten eines Quadrats entlang und kam bei der Albert Bridge heraus.
In einem neuen Gasthaus, das den Fluß überblickte, nahm er ein Sandwich und
einen großen Whisky, und eine Viertelstunde später überquerte er die Brücke auf
dem Wege nach Mitcham, während der Regen noch immer auf seinen unauffälligen
kleinen Wagen herunterprasselte. Er machte sich Sorgen, wirklich ernste Sorgen.
     
    Tee und Sympathie
     
    Es regnete
noch immer, als er ankam. Mendel war in seinem Garten und hatte den
merkwürdigsten Hut auf, den Smiley je gesehen hatte. Er hatte sein Leben als
Anzac-Hut begonnen, aber jetzt hing seine riesige Krempe überall herunter, so
daß Mendel wie ein großer Pilz aussah. Er brütete über einem Baumstrunk, und
eine bösartig aussehende Axt hing gehorsam in seiner sehnigen rechten Hand.
    Er sah
Smiley einen Augenblick scharf an, und dann erstrahlte sein schmales Gesicht
langsam in einem breiten Grinsen, während er ihm die Hand entgegenhielt.
    »Scherereien?«
fragte Mendel.
    »Scherereien.«
    Smiley
folgte ihm den Weg zum Haus hinauf. Es war ländlich und gemütlich.
    »Es ist
kein Feuer im Wohnzimmer - ich bin gerade erst zurückgekommen. Wie wäre es mit
einer Tasse Tee in der Küche?«
    Sie gingen
in die Küche. Smiley amüsierte sich über die peinliche Ordnung, die fast
feminine Nettigkeit, die überall herrschte. Nur der Polizeikalender an der Wand
zerstörte die Illusion. Während Mendel einen Kessel aufs Feuer stellte und mit
den Tassen herumhantierte, berichtete Smiley ruhig, was in Bywater Street
passiert war. Als er fertig war, betrachtete ihn Mendel lange und schweigend.
    »Aber
warum hat er Sie hineingebeten?«
    Smiley
zwinkerte und wurde ein bißchen rot. »Das habe ich auch gedacht. Das hat mich
einen Augenblick lang aus dem Gleichgewicht gebracht. Gut, daß ich das Paket
hatte.«
    Er trank
einen Schluck Tee. »Obwohl ich nicht glaube, daß er auf das Paket
hereingefallen ist. Vielleicht doch, aber ich bezweifle es. Sehr sogar.«
    »Nicht
hereingefallen?«
    »Na, ich
wäre es nicht. Kleiner Mann in einem Ford, der Wäsche austrägt. Wer konnte ich
schon gewesen sein? Übrigens habe ich nach Smiley gefragt und es dann
abgelehnt, ihn zu sehen - das muß ihm ziemlich komisch vorgekommen sein.«
    »Aber was
wollte er? Was hätte er mit Ihnen gemacht? Für wen hielt er Sie?«
    »Das ist
genau der springende Punkt, ganz genau, sehen Sie. Ich glaube, er hat auf mich
gewartet, aber natürlich hat er nicht erwartet, daß ich läuten werde. Das hat
ihn verwirrt. Ich denke, er wollte mich umbringen. Deshalb hat er mich
ersucht, einzutreten. Er erkannte mich, aber wohl nur nach einer Fotografie,
glaube ich.«
    Wieder sah
ihn Mendel eine Weile schweigend an. »Herrgott!« sagte er.
    »Vermute,
daß ich recht habe«, fuhr Smiley fort, »in jeder Weise. Ich vermute, daß Fennan
wirklich ermordet wurde gestern abend, und heute wäre mir fast dasselbe
passiert. Im Gegensatz zu Ihrem Beruf ereignet sich in meinem normalerweise
nicht jeden Tag ein Mord.«
    »Was soll
das heißen?«
    »Weiß
nicht. Ich weiß wirklich nicht. Bevor wir weitermachen, könnten Sie vielleicht
die Eigentümer dieser Nummern für mich feststellen lassen. Die Fahrzeuge
standen heute zu Mittag in der Bywater Street.«
    »Warum tun
Sie es nicht selber?«
    Smiley sah
ihn einen Augenblick verwirrt an. Dann fiel ihm ein, daß er von seinem
Entlassungsgesuch nichts erwähnt hatte.
    »Ach. Tut
mir leid, daß ich es Ihnen nicht erzählt habe. Also ich bin heute vormittag
gegangen. Kurz bevor ich gefeuert worden wäre. Ich bin so frei wie der Wind.
Und auch ungefähr ebenso verwendbar.
    Mendel
nahm ihm die Nummernliste ab und ging in die Halle, um zu telefonieren. Er kam
nach ein paar Minuten wieder zurück.
    »Sie
werden in einer Stunde wieder anrufen«, sagte er. »Kommen Sie jetzt, ich will
Ihnen meinen Besitz zeigen. Verstehen Sie etwas von Bienen?«
    »Na ja,
ein bißchen, ja. Ich bin nämlich in Oxford vom naturhistorischen Käfer gebissen
worden.« Er war im Begriff, Mendel zu erzählen, wie er

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