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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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hat ihn noch niemand hinausgeschmissen. «
    »Sie
scheinen eine Menge über ihn zu wissen«, sagte Mendel.
    »Sollte
ich, sollte ich. Ich habe ihn schon ein paarmal eingebuchtet. Steht nicht viel
im Gesetzbuch, was Adam nicht auf dem Kerbholz hat. Er ist eines von unseren
winterharten Dauergewächsen, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Na gut.
Läuft gerade etwas gegen ihn?«
    »Könnte
ich nicht sagen. Aber wegen illegaler Wetten kann ich ihn jederzeit hochgehen
lassen. Er fällt eigentlich schon längst unter den Akt.«
    Sie fuhren
weiter zum Battersea-Spital. Der Park zu ihrer Rechten sah hinter den
Straßenlaternen dunkel und drohend aus.
    »Was soll
das heißen, er fällt unter den Akt?«
    »Ach, er
hat nur einen Scherz gemacht. Es heißt, daß jemandes Strafregister schon so
lang ist, daß er in Präventivhaft genommen werden kann - jahrelang. Es klingt
ganz, als wäre der mein Typ«, fuhr Mendel fort. »Überlassen Sie ihn nur mir.«
    Sie fanden
den Hof, wie es ihnen der Schutzmann beschrieben hatte, zwischen zwei
halbverfallenen Baracken und einer Reihe von Schuppen, die auf dem
ausgebombten Terrain errichtet worden waren. Bauschutt, Ziegel und Mist lagen
überall herum. Trümmer von Asbest, Holz und Alteisen, die Mr. Scarr offenbar
für den Wiederverkauf oder zum Herrichten erstanden hatte, waren in der einen
Ecke aufgestapelt, trüb beleuchtet von einem schwachen Licht, das aus der
entfernteren Baracke drang. Die beiden Männer sahen sich eine Weile schweigend
um. Dann zuckte Mendel die Achsel, steckte zwei Finger zwischen die Lippen und
stieß einen schrillen Pfiff aus.
    »Scarr!«
brüllte er. Es blieb ruhig. Das Außenlicht an der Baracke leuchtete auf, und
drei oder vier Wagen aus der Zeit vor dem Krieg und in verschiedenen Stadien
der Auflösung wurden schwach sichtbar.
    Die Tür
ging langsam auf, und ein Mädchen von etwa zwölf Jahren stand auf der Schwelle.
    »Ist dein
Vater zu Hause, Kleine?« fragte Mendel.
    »Nee, der
ist im Prod', glaub' ich.«
    »Gut,
Kleine, danke schön.«
    Sie gingen
zur Straße zurück.
    »Was in
aller Welt ist das Prod'? Oder darf man das vielleicht nicht einmal fragen?«
erkundigte sich Smiley.
    »>Prodigal's
Calf<, ein Gasthaus um die Ecke. Wir können gehen. Es ist nur hundert Meter
weit. Den Wagen lassen wir hier.«
    Das Lokal
hatte gerade aufgemacht. An der Theke war noch niemand, und während sie auf das
Erscheinen des Wirtes warteten, ging die Tür auf, und ein sehr fetter Mensch
in einem schwarzen Anzug kam herein. Er ging geradewegs zur Theke und begann,
mit einem Fünfshillingstück draufzuklopfen.
    »Wilf«,
schrie er, »nimm die Finger raus. Gäste sind da, du Glückspilz.« Er drehte sich
Smiley zu. »'n Abend, Kumpel.«
    Aus dem
Hintertrakt des Wirtshauses antwortete eine Stimme: »Sag ihnen, sie sollen ihr
Geld bei der Kasse auf den Tisch legen und später kommen.«
    Der Dicke
sah Mendel und Smiley einen Augenblick erstaunt an und brach plötzlich in
brüllendes Gelächter aus. »Die nicht, Wilf - die sind im Dienst!« Der Witz
gefiel ihm so gut, daß er sich zum Schluß auf die Bank setzen mußte, die an der
Wand um den Raum lief. Er schlug sich mit den Händen auf die Schenkel, seine
mächtigen Schultern schüttelte es direkt, so lachte er, und die Tränen rannen
ihm über die Wangen. Zwischendurch, wenn er Atem holte, bevor ein neuer
Lachanfall kam, sagte er: »Ogott-ogottogott.«
    Smiley sah
ihn interessiert an. Er trug einen sehr schmutzigen steifen weißen Kragen mit
abgerundeten Ecken, eine geblümte rote Krawatte, die mit einer Nadel sorgfältig
außen auf der schwarzen Weste befestigt war, Militärstiefel und einen
abgeschabten, sehr fadenscheinigen Anzug, an dessen Hose nicht einmal die Spur
einer Bügelfalte zu sehen war. Seine Manschetten waren schwarz von Schweiß,
Schmutz und Schmieröl und wurden von Büroklammern zusammengehalten.
    Der Wirt
erschien und nahm ihre Bestellung entgegen. Der Dicke kaufte sich einen großen
Whisky mit Ingwerwein und ging damit sofort in das Gastzimmer, wo ein
Kohlenfeuer brannte. Der Wirt beobachtete ihn mißbilligend.
    »Das sieht
ihm wieder ähnlich, dem gemeinen Kerl. Die Preise im Gastzimmer will er nicht
zahlen, aber das Feuer paßt ihm.«
    »Wer ist
es denn?« erkundigte sich Mendel.
    »Er? Scarr
heißt er. Adam Scarr. Der Teufel weiß, warum er Adam heißt. Wenn man sich ihn
im Garten Eden vorstellt, das ist wohl verdammt komisch, der Teufel soll mich
holen. Hier in der Gegend sagt man, wenn Eva ihm den Apfel

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