Carre, John le
Fall.«
Es
herrschte völlige Stille. Smiley kam langsam wieder zu sich. Die Entwicklung
der Dinge machte ihn blöde und raubte ihm die Sprache. Er starrte kurzsichtig
vor sich hin, sein rundes, faltiges Gesicht war noch rot, der Mund schlaff und
stupid. Maston wartete darauf, daß er etwas sagen würde, aber Smiley war
erschöpft und mit einem Mal völlig uninteressiert. Ohne Maston noch einen
Blick zuzuwerfen, stand er auf und ging hinaus.
Er ging in
sein Zimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Mechanisch sah er seine Arbeit
durch. In seinem Einlaufkörbchen war nicht viel - ein paar Rundschreiben des
Amtes und ein persönlicher Brief an G. Smiley Esq., Verteidigungsministerium.
Die Schrift war ihm nicht bekannt. Er öffnete den Umschlag und las:
»Lieber Smiley!
Es ist
unbedingt notwendig, daß ich morgen mit Ihnen im Restaurant Compleat Angler in
Marlow speise. Bitte, tun Sie Ihr möglichstes, daß ich Sie dort um ein Uhr
treffen kann. Ich habe Ihnen etwas zu sagen.
Ihr Samuel
Fennan«
Der Brief
war mit der Hand geschrieben und trug das Datum des vorhergehenden Tages,
Dienstag, 3. Januar. Er war in Whitehall um sechs Uhr abends abgestempelt
worden.
Einige
Minuten starrte er den Brief an, den er steif vor sich in der Hand hielt, wobei
er den Kopf nach links neigte. Dann legte er den Brief auf den Schreibtisch,
zog eine Lade heraus und entnahm ihr ein einzelnes, unbeschriebenes Blatt
Papier. Er schrieb ein kurzes Gesuch um seine Entlassung an Maston, an das er
mit einer Klammer Fennans Einladung heftete. Dann läutete er nach einer der
Sekretärinnen, legte den Brief in den Korb für die ausgehende Post und ging zum
Lift. Wie gewöhnlich steckte der im Parterre mit dem Teewagen der Registratur
fest, und nach kurzem Warten begann Smiley, zu Fuß die Treppen hinunterzugehen.
Auf dem halben Weg erinnerte er sich daran, daß er seinen Regenmantel und ein
paar kleine persönliche Dinge in seinem Zimmer vergessen hatte. Ach was, dachte
er, sie werden sie mir schicken.
Auf dem
Parkplatz setzte er sich in seinen Wagen und starrte durch die nasse Windschutzscheibe.
Es war ihm
egal, verdammt egal. Erstaunt war er natürlich, und zwar darüber, daß er fast
die Beherrschung verloren hatte. Derartige Gespräche hatten in Smileys Leben
eine große Rolle gespielt, und seit langer Zeit hatte er sich gegen alle
Spielarten solcher Unterredungen für gewappnet gehalten, gegen schulmäßige,
disziplinarische, ärztliche und religiöse. Seine verschwiegene Natur verachtete
den Zweck aller Verhöre, ihre terroristische Vertraulichkeit und unausweichliche
Realität. Er erinnerte sich an ein unbeschreiblich glückseliges Dinner mit Ann
bei Quaglino, bei dem er ihr die Chamäleon-Gürteltier-Taktik geschildert hatte,
mit der man so einen Ausfrager schachmatt setzen konnte.
Sie hatten
bei brennenden Kerzen diniert. Schneeweiße Haut und Perlen - sie tranken
Kognak - Anns weitoffene, glänzende Augen gehörten nur ihm. Smiley war der
Verliebte, und er spielte diese Rolle wunderbar. Ann fand ihn herrlich und war
durch ihre harmonische Zärtlichkeit erregt.
«... und
damals habe ich gelernt, mich in ein Chamäleon zu verwandeln.«
»Und dabei
hast du gerülpst, du ungezogener Frosch?«
»Nein, auf
die Farbe kommt es an. Chamäleons wechseln die Farbe.«
»Natürlich
wechseln sie die Farbe. Sie sitzen auf grünen Blättern und werden grün. Bist du
auch grün geworden, Frosch?«
Er
berührte ihre Fingerspitzen leicht mit den seinen.
»Also
jetzt hör zu, du naseweise Person, wenn ich dir die Chamäleon-Gürteltier-Taktik
gegen einen unverschämten Ausfrager erklären soll.« Ihr Gesicht war ganz nahe
an seinem, und ihre Augen hingen in leidenschaftlicher Liebe an ihm.
»Diese
Taktik basiert auf der Theorie, daß der Inquisitor, der nichts so sehr liebt
wie sich selber, von seinem eigenen Bild angezogen wird. Man muß daher genau
dieselbe soziale, temperamentmäßige, politische und intellektuelle Farbe
annehmen, die der Inquisitor hat.«
»Du
aufgeblasener Frosch. Aber ein begabter Liebhaber bist du schon.«
»Ruhe!
Manchmal scheitert diese Taktik an der Stupidität oder Bosheit des Inquisitors.
Wenn das der Fall ist, dann muß man sich in ein Gürteltier verwandeln.«
»Gürtel
tragen, Frosch?«
»Nein, man
muß ihn in eine Position versetzen, die so haarsträubend ist, daß man ihm
überlegen ist. Für die Konfirmation bin ich von einem pensionierten Bischof
vorbereitet worden. Ich war seine ganze
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