Carre, John le
sie gekommen sind, haben sie gedacht, daß sie die
Handelskammer dazu überreden könnten, etwas gegen die europäischen
Stahlkonzerne zu unternehmen, man hat ihnen aber die kalte Schulter gezeigt.
Dann beschäftigten sie sich mit Konsularsachen, hauptsächlich Werkzeugmaschinen
und Fertigwaren, Austausch von industriellen und technischen Informationen und
so weiter. Das hat nichts mit dem Zweck zu tun, dessentwegen sie gekommen
sind, aber es ist weit annehmbarer, finde ich.«
»Was waren
es für Leute?«
»Ach, zwei
Techniker - Professor Doktor Sowieso und irgendein Doktor -, zwei Mädchen und ein
allgemeiner Aufpasser.«
»Wer war
der Wachhund?«
»Weiß
nicht. Irgendein junger Diplomat, der die Falten ausbügeln sollte. Wir haben
ihre Dossiers im Department. Ich kann Ihnen Details schicken, glaube ich.«
»Wenn es
Ihnen nichts ausmacht.«
»Das ist
doch selbstverständlich.«
Wieder
entstand eine peinliche Pause. Smiley sagte: »Bilder wären eine wertvolle
Hilfe, Peter. Geht das?«
»Ja ja,
natürlich.« Guillam sah etwas verwirrt von Smiley weg. »Wir wissen eigentlich
nicht viel über die Ostdeutschen, verstehen Sie. Hier und dort bekommen wir
einzelne Bruchstücke in die Hand, aber im großen und ganzen sind sie irgendwie
ein Mysterium. Wenn sie überhaupt arbeiten, dann tun sie es nicht unter dem
Deckmantel von diplomatischen oder handelspolitischen Beziehungen. Deshalb ist
es merkwürdig, wenn Sie bei diesem Burschen recht haben, daß er von der
Stahl-Mission kommt.«
»Aha«,
sagte Smiley ohne Überzeugung.
»Es ist
natürlich schwer, aus den wenigen verstreuten Fällen, die wir kennen,
allgemeine Schlüsse zu ziehen. Mein Eindruck ist der, daß sie ihre Agenten
direkt aus Deutschland herüberschicken und im Operationsgebiet selbst keinen
Kontakt zwischen Überwacher und Agenten haben.«
»Aber das
muß sie doch schrecklich behindern«, rief Smiley. »Man muß monatelang warten,
bis der Agent zu einem Treffpunkt außerhalb des Landes, in dem er arbeitet,
reisen kann. Vielleicht hat er gar nicht den nötigen Vorwand, um überhaupt
fahren zu können.«
»'Sicher,
das muß sie offensichtlich sehr behindern, aber ihre Ziele scheinen von so
geringfügiger Bedeutung zu sein. Am liebsten setzen sie Ausländer ein - Schweden,
Exilpolen und was weiß ich noch alles. Sie schicken sie mit kurzfristigen
Aufträgen herüber, wobei die Beschränktheit ihrer Technik nichts ausmacht. In
besonderen Fällen, in denen sie einen Agenten haben, der im Lande wohnt, haben
sie ein Kuriersystem, das dem der Sowjets entspricht.«
Jetzt
horchte Smiley auf.
»Wie
gesagt«, fuhr Guillam fort, »die Amerikaner haben vor ganz kurzer Zeit einen
Kurier abgefangen, und dabei haben wir ein bißchen über die Methoden der DDR
gelernt.«
»Was, zum
Beispiel?«
»Ja, also,
sie warten nie bei einem Rendezvous, treffen sich nie zur besprochenen Zeit,
sondern zwanzig Minuten früher. Sie haben Erkennungszeichen - alle die
üblichen Verschwörertricks, die das Drum und Dran zweitrangiger Spionage sind.
Auch mit Decknamen schusseln sie herum. Ein Kurier kann mit drei oder vier
Agenten Kontakt haben - ein Kontrollmann beaufsichtigt unter Umständen
bis zu fünfzehn. Sie erfinden nie selber Decknamen für sich.«
»Wie
meinen Sie das? Das ist doch notwendig.«
»Sie
lassen den Agenten einen erfinden. Der Agent wählt einen Namen, irgendeinen
x-beliebigen Namen, der ihm paßt, und der Kontrollmann nimmt ihn an. Auch so
ein Trick . . .« Er hielt inne und sah Mendel erstaunt an.
Mendel war
aufgesprungen.
Guillam
setzte sich wieder auf seinen Stuhl und überlegte, ob er rauchen dürfe.
Widerwillig kam er zu der Erkenntnis, daß das nicht gestattet wäre. Eine
einzige Zigarette hätte ihm genügt.
»Also?« sagte
Smiley. Mendel hatte Guillam von seiner Unterredung mit Mr. Scarr berichtet.
»Es paßt«,
sagte Guillam. »Das paßt genau mit dem zusammen, was wir wissen. Aber wir
wissen nicht so viel. Wenn Blondie ein Kurier war, dann ist es außergewöhnlich
- wenigstens nach meiner Erfahrung -, daß er eine Handelsmission als
Stützpunkt benutzte.«
»Sie haben
doch gesagt, daß die Mission seit vier Jahren hier war«, sagte Mendel. »Blondie
ist vor vier Jahren zum erstenmal zu Scarr gekommen.«
Einen
Augenblick sagte niemand etwas. Dann meinte Smiley ernst: »Es ist möglich, daß
sie unter besonderen Arbeitsbedingungen ebenso einen Stützpunkt wie Kuriere
gebraucht haben.«
»Ja
natürlich, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher