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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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so
sicher. »Ihr größter Tag«, hatte er erzählt, »war, als die Bergarbeiter kamen.
Sie kamen von Rhondda, verstehen Sie, und es kam den Genossen so vor, als wäre
der Geist der Freiheit mit ihnen von den Hügeln heruntergestiegen. Es war ein
Hungermarsch. Es fiel der Gruppe gar nicht ein, daß die Marschierer vielleicht
wirklich hungrig sein könnten, aber ich dachte daran. Wir mieteten einen
Lastwagen, und die Mädchen machten Stew - in rauhen Mengen. Das Fleisch bekamen
wir billig von einem sympathisierenden Fleischer auf dem Markt. Dann fuhren
wir ihnen entgegen. Sie aßen das Stew und marschierten weiter. Sie haben uns eigentlich
nicht geliebt, verstehen Sie, sie trauten uns nicht recht.« Er lachte. »Sie
waren so klein - an das erinnere ich mich am meisten -, klein und schwarz wie
Kobolde. Wir hofften, daß sie singen würden, und das taten sie dann auch. Aber
nicht für uns, für sich selber. Das war damals das erste Mal, daß ich Waliser
gesehen habe.
    Es hat
mich meine eigene Rasse besser verstehen lassen, glaube ich. Ich bin Jude,
sehen Sie.«
    Smiley
hatte genickt.
    »Sie
wußten nicht, was sie tun sollten, als die Waliser wieder fort waren. Was
macht man, wenn ein Traum wahr geworden ist? Damals verstanden sie, warum die
Partei keinen großen Wert auf Intellektuelle legte. Ich glaube, sie kamen sich
hauptsächlich recht nutzlos vor und waren beschämt. Sie schämten sich ihrer
Betten, ihrer Zimmer, ihrer vollen Bäuche und ihrer gescheiten Abhandlungen.
Auch ihrer Fähigkeiten und ihrer Fröhlichkeit. Sie redeten immer davon, wie
Keir Hardie, mit einem Stück Kreide auf dem Kohlenflöz schreibend, sich ganz
allein das Stenographieren beibrachte. Sie schämten sich, daß sie Papier und
Bleistift hatten. Aber es hat auch keinen Sinn, das Schreibzeug deshalb einfach
wegzuwerfen, nicht wahr. Das ist mir schließlich aufgegangen. Deshalb bin ich
wohl aus der Partei ausgetreten, glaube ich.«
    Smiley
wollte ihn fragen, was er selbst gefühlt habe, aber Fennan redete schon
weiter. Er hatte nichts mit ihnen gemein, das war ihm klar geworden. Sie waren
keine Männer, sondern Kinder, die von Freiheitsfeuern, Zigeunermusik und einer
einheitlichen Welt von morgen träumten, auf weißen Rossen über die Bucht von
Biskaya ritten oder mit kindischem Vergnügen für hungernde Kobolde aus Wales
Bier kauften. Kinder, die nicht die Kraft hatten, der Sonne aus dem Osten
Widerstand zu leisten, und ihr gehorsam zu Tausenden ihre Köpfe zuwandten. Sie
liebten einander und glaubten, daß sie die Menschheit liebte, sie bekämpften
einander und meinten, sie kämpften gegen die Welt.
    Bald hatte
er sie komisch und rührend gefunden. Ebensogut hätten sie für Soldaten Socken
stricken können. Das Mißverhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit veranlaßte
ihn, beide genau zu analysieren. Er konzentrierte seine ganze Energie auf
philosophische und historische Lektüre, und zu seiner Überraschung fand er in
der geistigen Klarheit des Marxismus Trost und Frieden. Er ergötzte sich an
seiner intellektuellen Unbarmherzigkeit, bewunderte seine Furchtlosigkeit bei
der akademischen Umkehrung traditioneller Werte. Schließlich war es das, und
nicht die Partei, was ihm in seiner Einsamkeit Kraft gab. Eine Philosophie, die
totale Hingabe an eine unangreifbare dogmatische Formel verlangte, die ihn
demütigte und inspirierte. Und als er endlich Erfolg, Wohlstand und Aufnahme
gefunden hatte, wandte er ihr traurig den Rücken wie einem Schatz, dem er
entwachsen war und mit den Träumen seiner Jugend in Oxford lassen mußte.
    So hatte
es Fennan geschildert, und Smiley hatte ihn verstanden. Es war kaum die
Geschichte von Zorn und Ressentiment, die Smiley erfahrungsgemäß bei solchen
Einvernahmen zu erwarten pflegten, aber (oder vielleicht eben deshalb) sie kam
ihm wirklicher vor. Und dann war da noch ein Punkt, im Zusammenhang mit der
Einvernahme, nämlich Smileys Überzeugung, daß Fennan irgend etwas Wichtiges
unausgesprochen gelassen hatte.
    Bestand
tatsächlich eine Verbindung zwischen dem Vorfall in Bywater Street und Fennans
Tod? Smiley machte sich den Vorwurf, übers Ziel zu schießen. Bei objektiver
Betrachtung gab es nichts außer der zeitlichen Aufeinanderfolge der
Ereignisse, das angedeutet hätte, daß Fennan und Smiley irgendwie zusammenhingen.
    Das heißt,
die zeitliche Aufeinanderfolge und das Gewicht von Smileys Intuition, Erfahrung
oder was sonst - dieses besonderen Sinnes, der ihn veranlaßt hatte, zu
klingeln, statt seinen

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