Carries ruhmreichen Tage
die Tasse. Da ist tatsächlich ein seltsamer Fleck... aber das Porzellan ist nur etwas abgenutzt, altersbedingt. Carrie ist in die Küche zurückgegangen: » Ich werde das Geschirr spülen « , lügt sie, nur um etwas zu sagen und etwas zu tun; sie möchte ihm aus dem Weg gehen.
» Nein, komm bitte zu mir. Leiste mir Gesellschaft. «
» Hast du die Messapparate mitgebracht? «
» Apparate..... Welche Apparate? «
» Die deiner wissenschaftlichen Studie. «
» Bah, bitte lass das jetzt. «
Und währen der Unterhaltung, in der sich Alains Stimmfarbe verändert, kommen die Kinder aus ihrem Unterschlupf. Thierry zuerst, mit erhobenem Schwert... eine Schulflöte, aus elfenbeinfarbenen Industrieplastik.
» Hey Kleiner... Kleiner großer Mann. Wie heißt du denn? «
» Ich habe Hunger « , sagt das Kind. » Thierry « .
» Ist das eine Flöte? Bist du Musiker? «
» Nein, das ist ein Schwert. «
» Ach natürlich. Ein Schwert. «
– Mach mir doch nichts vor, Idiot. Kinder zu besuchen ist easy. Es ist leicht, einen guten Kinderbetreuer abzugeben, wenn man weiß, daß man redet, spielt, Erwartungen weckt und verschwindet. Wenn du den Alltag kennen würdest, wärst du sicherlich nicht in dieses verdammte Haus gekommen. –
» Ich bin Yolande « , sagt die Kleine. Und stellt sich erneut vor, obwohl sie diesen Fremden schon mal im Krankenhaus gesehen hat. » Das ist Charlotte « , und sie präsentiert ihre Kreatur. Ein Plastikpferd, dem Schwanz und Mähne fehlen, denn alles aus Haaren löst bei ihr eine allergische Reaktion aus.
» Hey das stimmt! « platzt es aus Alain » Und deshalb...habe ich das hier mitgebracht « , aber Carrie konnte es nicht richtig erkennen. Sie vermied es hinzusehen... allerdings erspäht sie jetzt durch die Türangel der Küche, daß Alain eine Tüte mitgebracht hat. » Schau mal wie hübsch .« und übergibt Yolande daraus eine Stoffpuppe, mit Augen wie Saphire und einem lächelnden Mund aus Gummi. » Nimm schon, du mußt dich nicht genieren. Es ist ein Geschenk « , drängt er. Yolande sieht ihre Mutter an, um die Erlaubnis zu bekommen. Alain bemerkt es: » Es ist eine Sonderanfertigung für allergische Kinder. Sie ist rein synthetisch « , erklärt er. Und ziemlich teuer, denn sie wurde unter mehr als strengen Auflagen hergestellt: ein Fortuny kann sich eben leisten ein paar hundert Euros für so was hinzulegen.
» Ich danke dir sehr «, seufzt Carrie, noch nicht ganz davon überzeugt; sie sagt es aus Anstand, auferlegt durch die Umstände.
Und selbstverständlich passiert, was passieren muss, wenn Kinder keinen Vater haben. Sie überfallen ja bereits Amédée, wenn dieser gelegentlich vorbeikommt, um die Lage des “Stützpunktes” zu überprüfen. Bei Alain, der obendrein ausgesprochen natürlich mit den Kindern umgeht, zögern sie keinen Moment, ihn mit tausenden von Fragen, Anmerkungen und Geschichten zu bombardieren. Mit diesem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, die sich bei einsamen Kindern anstaut.
– Er ist ein Schwein im Bett... scheint aber ein guter Kerl zu sein – , redet sich Carrie ein. Dann berichtigt sie sich: – Du spinnst wohl. Er ist in der Probezeit. Diese Geschichte kenne ich bereits. –
... Sie wird aber nichts dagegen unternehmen. Mit Christian war es das Gleiche. Sie “empfing” ihn, ertrug ihn dutzendfach in jeglicher Form… obwohl sie im Grunde wußte, daß er sie eines Tages im Stich lassen würde.
» ... Mama hat heute Nacht im Bett gefurzt « , sagt Yolande. Alain rümpft die Nase » Das hat ganz schön gestunken « , fügt das Mädchen hinzu.
– Na schön... kann sein, daß er die Feuerprobe besteht; er hat sich den Kindern nicht entzogen und auch nicht seine Herzlichkeit abgelegt. Vielleicht eignet er sich ja als Papa. Eine Familie ist wohl kaum die Art Blind Date, die jemand wie er unbedingt anstrebt. Aber vermutlich auch keine romantischen Knutschereien im Mondschein, nach denen ich mich sehne. –
Alain setzt sich fast den ganzen Morgen mit ihnen auseinander. Sie sehen einen Film und er widersetzt sich weder, ihn zu kommentieren, noch ihn mit den Kindern zu durchleben. Yolande tollt sogar auf seinem Schoß herum, hungrig nach dieser Vaterliebe, die sich durch die Abwesenheit von Amédée in Luft aufgelöst hat. Thierry hat es auf sich genommen, ihm kein Auge mit “seinem Schwert” auszustechen.
Die Großmutter erscheint etwas später. Sie spricht nicht und Alain trifft auf Ignoranz, denn sein “Guten Morgen, ich bin Alain, sehr
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