Carte Blanche - Ein Bond-Roman
einmal brach Dauerfeuer los. Bond drückte sein Gesicht in den staubigen Boden, bis die Schützen eine Pause einlegten. Er verschaffte sich einen kurzen Überblick, sprang auf und rannte auf einen fahlen Baum zu, an dessen Fuß es gute Deckung gab: Ölfässer sowie ausgeschlachtete Motoren und Getriebe. Bond lief, so schnell er konnte. Doch auf halbem Weg blieb er abrupt stehen und wirbelte herum. Einer von Dunnes Begleitern hatte angenommen, Bond würde weiterrennen, und war aufgestanden, um ihn mit einem vorgehaltenen Feuerstoß zu erledigen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Bond nur losgelaufen war, um selbst ein Ziel aus der Deckung zu locken. Zwei Treffer aus Bonds Glock setzten seinem Leben ein Ende. Die anderen Männer duckten sich sofort. Bond schaffte es bis zu dem Baum und sogar weiter bis zu einem kleinen Abfallhügel. Noch fünfzehn Meter bis zum Tor. Eine Reihe von Schüssen aus Dunnes Richtung zwangen ihn, sich in ein flaches Dickicht zu rollen.
Vier Schuss.
Drei Gegner.
Er konnte es in zehn Sekunden bis zum Tor schaffen, aber während fünf davon würde er voll sichtbar sein.
Doch es blieb ihm kaum eine andere Wahl. Sie würden ihn bald wieder in die Zange nehmen. Dann registrierte er zwischen zwei hohen Haufen Bauschutt eine Bewegung. Dicht über dem Boden und kaum sichtbar im hohen Gras waren dort drei Köpfe unmittelbar nebeneinander. Der überlebende Posten aus dem Norden war zu Dunne und dessen Begleiter gestoßen. Sie hatten keine Ahnung, dass Bond sie sehen konnte, und schienen eifrig flüsternd ihr weiteres Vorgehen zu besprechen.
Alle drei Männer befanden sich in seinem Schussfeld.
Das leichte Kaliber und die ungewohnte Waffe waren ein Nachteil für Bond, aber es schien nicht unmöglich.
Er durfte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Er musste handeln. Sie würden jeden Moment bemerken, dass sie angreifbar waren, und sofort in Deckung gehen.
Bond lag ausgestreckt da. Er visierte das erste Ziel an. Beim Wettschießen ist man sich nie bewusst, wann man den Abzug betätigt. Treffsicherheit basiert auf Atemkontrolle und der Fähigkeit, Arm und Körper völlig reglos zu halten, während die Waffe gleichbleibend auf das Ziel gerichtet ist. Dann spannt der Abzugsfinger sich scheinbar aus eigenem Antrieb immer weiter an, bis der Schuss sich löst; die besten Schützen sind stets ein wenig überrascht, wenn ihre Waffe feuert.
Unter den gegebenen Umständen würden der zweite und dritte Schuss natürlich sehr viel schneller erfolgen müssen. Aber der Erste war für Dunne bestimmt, und Bond wollte ihn keinesfalls verfehlen.
Und das tat er auch nicht.
Ein lauter Knall, sogleich gefolgt von zwei weiteren.
Beim Schießen ist es wie beim Golf: Für gewöhnlich weiß man sofort nach dem Schuss beziehungsweise Schlag, ob man gut oder schlecht gezielt hat. Und diese drei schnellen kleinen Projektile trafen exakt ins Schwarze.
Nur dass ihm das auch nicht weiterhalf, erkannte Bond bestürzt. Denn die drei Ziele waren nicht etwa seine Gegner gewesen, sondern lediglich ihre Spiegelbilder. Einer der Männer – bestimmt der Ire – musste irgendwo in der Nähe ein großes Chromteil gefunden haben. Das hatten sie dann so ausgerichtet, dass ihre Köpfe sich darin spiegelten und Bonds Feuer auf sich zogen. Das Stück Metall kippte um.
Verdammt …
Der Mann, der an alles denkt …
Die Männer teilten sich sofort auf und gingen in Position. Bond hatte ja dankenswerterweise seinen genauen Standort verraten.
Zwei schnitten Bond rechts vom Tor ab, und Dunne hielt sich links.
Er hatte noch einen Schuss übrig. Einen Schuss.
Sie wussten nicht, dass ihm kaum noch Munition blieb, aber sie würden es bald herausgefunden haben.
Er saß in der Falle. Seine einzige Deckung war ein niedriger Haufen aus Pappe und Büchern. Die Männer kreisten ihn ein, Dunne in einer Richtung, die zwei Wachen gemeinsam in der anderen. Gleich konnten sie ihn wieder ins Kreuzfeuer nehmen, und diesmal war er völlig ungeschützt.
Bond überlegte, dass seine einzige Chance darin bestand, ihnen einen Grund zu geben, sein Leben zu schonen. Er würde behaupten, er könne ihnen zur Flucht verhelfen, oder er würde ihnen viel Geld bieten. Egal was, Hauptsache Zeit schinden. »Ich hab keine Munition mehr!«, rief er, stand auf, warf die Pistole weg und hob die Hände.
Die beiden Wachen rechts von ihm reckten die Köpfe aus der Deckung. Als sie sahen, dass er unbewaffnet war, wagten sie sich geduckt näher. »Keine
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