Carte Blanche - Ein Bond-Roman
hatten die gleiche Farbe. Einer der Kerle war etwa vierzig, der andere fünfundzwanzig. Ungeachtet ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zur gewöhnlichen Polizei hatten sie genügend Waffen mitgebracht, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Am Leib trugen sie schwere Beretta-Pistolen und haufenweise Munition. Auf der Rückbank des geliehenen Polizeiwagens, eines VW Jetta, lagen zwei Kalaschnikow-Sturmgewehre mit grünem Tarnanstrich, eine Uzi sowie ein Leinenbeutel voller Handgranaten – und zwar ernst zu nehmende, Schweizer HG 85er.
Bond wandte sich an den älteren Agenten, doch noch bevor er etwas sagen konnte, hörte er hinter sich ein lautes Klatschen. Er fuhr herum, griff nach seiner Walther PPS – und sah den jüngeren Serben, der mit einer Schachtel Zigaretten fest auf die Handfläche schlug. Bond, ein ehemaliger Raucher, hatte dieses Ritual schon immer völlig lächerlich und überflüssig gefunden.
Was dachte der Kerl sich nur dabei?
»Ruhe!«, flüsterte Bond eisig. »Und stecken Sie die weg. Hier wird nicht geraucht.«
Die dunklen Augen musterten ihn verblüfft. »Mein Bruder raucht die ganze Zeit, wenn er im Außeneinsatz ist. In Serbien wirkt das normaler, als nicht zu rauchen.« Auf der Fahrt hierher hatte der junge Mann endlos von seinem Bruder geschwafelt, einem leitenden Angehörigen der berüchtigten JSO , technisch gesehen einer Abteilung des Geheimdienstes, wenngleich Bond wusste, dass es sich in Wahrheit um eine paramilitärische Spezialeinheit für verdeckte Operationen handelte. Der junge Agent hatte durchblicken lassen – vermutlich absichtlich, denn er war dabei hörbar stolz gewesen –, dass sein großer Bruder zu Arkans Tigern gehört hatte, einer skrupellosen Bande, auf deren Konto einige der schlimmsten Gräueltaten der Kämpfe in Kroatien, Bosnien und im Kosovo gingen.
»Auf den Straßen von Belgrad mag das so sein, aber das hier ist ein taktischer Einsatz«, murmelte Bond. »Stecken Sie sie ein.«
Der Agent gehorchte zögernd. Er schien etwas zu seinem Partner sagen zu wollen, besann sich dann aber eines Besseren. Vielleicht war ihm eingefallen, dass Bond etwas Serbokroatisch verstand.
Bond sah wieder in das Restaurant, wo der Ire soeben einige Scheine auf das kleine Metalltablett legte – selbstverständlich benutzte er keine zurückverfolgbare Kreditkarte. Der andere Mann zog gerade seine Jacke an.
»Okay, es geht los.« Bond wiederholte den Plan. Sie würden dem Mercedes des Iren mit dem Polizeiwagen folgen, bis er sich etwa anderthalb Kilometer von dem Restaurant entfernt hatte. Dann würden die serbischen Agenten das Fahrzeug anhalten und behaupten, es passe zur Beschreibung eines Wagens, der bei einem Drogenverbrechen in Novi Sad benutzt worden sei. Der Ire würde höflich zum Aussteigen aufgefordert und mit Handschellen gefesselt werden. Sein Mobiltelefon, seine Brieftasche und alle Papiere würden auf den Kofferraum des Mercedes gelegt. Dann würde man ihn wegführen und mit dem Rücken zum Fahrzeug am Straßenrand Platz nehmen lassen.
Bond würde sich unterdessen von der Rückbank des Jetta schleichen, die Dokumente fotografieren, den Inhalt des Telefons herunterladen, etwaige Laptops und Gepäckstücke durchsuchen und dann diverse Peilsender installieren.
Der Ire würde den Eindruck bekommen, dass die Polizei ihn als Ausländer anscheinend schikanieren wollte. Daraufhin würde er ein angemessenes Bestechungsgeld anbieten und dann seinen Weg fortsetzen können.
Falls der einheimische Partner das Restaurant zusammen mit ihm verließ, würden sie denselben Plan durchführen, nur eben mit beiden Beteiligten.
»Also, ich bin mir zu neunzig Prozent sicher, dass er Ihnen die Vorstellung abkauft«, sagte Bond. »Falls jedoch nicht und er greift Sie an, vergessen Sie nicht, dass er unter keinen Umständen getötet werden darf. Ich brauche ihn lebend. Zielen Sie auf den Arm, den er bevorzugt, und zwar in die Nähe des Ellbogens, nicht auf die Schulter.« Im Gegensatz zu dem, was man im Kino zu sehen bekam, war eine Schulterverletzung meistens ebenso tödlich wie ein Schuss in den Bauch oder die Brust.
Der Ire trat nun nach draußen, die Füße auswärts gewandt. Er blieb stehen und schaute sich um. Hatte sich etwas verändert?, würde er denken. Es waren seit seiner Ankunft weitere Fahrzeuge eingetroffen; kam ihm daran irgendwas ungewöhnlich vor? Er schöpfte offenbar keinen Verdacht. Die beiden Männer stiegen in den Mercedes.
»Sie fahren zu zweit los«, sagte Bond.
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