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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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von ihr übrig ist, sieht aus wie eine Harfe, und dabei habe ich nicht die geringste Ahnung, wie man Harfe spielt.«
    Â»Du spielst jetzt erst mal gar nichts, nicht mal Harfe, und rufst die Polizei. Frag nach Lifante und erzähl ihm, was passiert ist.«
    Â»Ich soll die Polizei rufen?«
    Â»Sie sollen sehen, was hier passiert ist. Hast du was abbekommen? Wurdest du geschlagen?«
    Â»Nicht die Bohne. Ich habe sie kommen sehen.«
    Â»Du hast sie kommen sehen?«
    Â»Das sagt man so. Ich bin die Treppe hochgestiegen und habe Krach gehört, wie bei einem Erdbeben. Aber die Treppe hat nicht geschwankt. Es war also kein Erdbeben. Ich bin zur Tür gegangen und habe gesehen, was los war. Sie lagen auf dem Boden, Chef, in einer eher unvorteilhaften Position, wenn ich ehrlich sein soll, und die Vandalen waren dabei, Kleinholz aus der Bude zu machen. Da habe ich mich gefragt: ›Was machst du jetzt, Biscuter?‹ «
    Â»Sag mir schnell, was du geantwortet hast, und dann ruf Lifante an.«
    Â»Ich habe mich an einen Rat von Ihnen erinnert.«
    Â»Welchen?«
    Â»Die Bewegung zeigt sich in der Flucht. Ich bin ein Stockwerk raufgegangen und habe mit autoritärer Stimme
Hände hoch! Kommen Sie einzeln raus!
gebrüllt. Sie sind gekommen und nach unten gerannt, na klar, wären sie nach oben gerannt, hätten sie mich erwischt. Aber das hatte ich bedacht. Wenn sie abhauen, dann nach unten. Klingt logisch, oder?«
    Eine Stunde später trafen Lifante und seine Männer ein. Der Inspektor befahl einem Beamten, den Schaden aufzunehmen, und fragte Carvalho als Erstes, ob er versichert sei und Anzeige erstatten wolle.
    Â»Ich habe nicht mal eine Bestattungsversicherung. Und gegen wen soll ich Anzeige erstatten?«
    Â»Was weiß ich. Gegen unbekannt.«
    Â»Ich glaube, ich habe eine Ahnung. Wir haben es hier mit einer unerwarteten Folge aus dem Fall der Obdachlosen Helga Singer oder Muchnik zu tun. Man will mich einschüchtern. Die handeln mit verblüffender Präzision. Erst Helga. Dann Rocco. Und jetzt das hier. Wer ist der Nächste?«
    Â»Das sind Ihre Schlussfolgerungen. Wie viele Menschen in dieser Stadt hassen Sie, weil Sie sich in deren Leben eingemischt haben, weil Sie sie in den Knast geschickt haben?«
    Â»Ich habe niemanden in den Knast geschickt. Das ist Ihr Job und der von den Richtern. Meine Schuldigen sind aus Papier, ein Teil des Berichts, den meine Klienten bekommen. Ich arbeite weder für Sie noch die Richter.«
    Â»Sie können uns nicht leiden. Weder die Polizei noch die Richter.«
    Â»Ich kenne nur wenige Polizisten und Richter, die ihre Moral nicht für den Staat opfern. Unter Franco haben sie gefoltert, Menschenrechte verletzt, und alles im Namen einer staatlichen Logik, die sie in ihrer Dreistigkeit Gesetz nennen. Sie waren Technokraten der Unterdrückung, dieser fortschrittlichen Technologie des Denkens, des Wortes, des Handelns und der Negation.«
    Â»Sie sind ein Nostalgiker. Die Zeiten haben sich geändert.«
    Â»Und was ist morgen? Was, wenn man Sie morgen auffordert, zu foltern und Leute verschwinden zu lassen? Wenn der Staat Sie dazu auffordert, das heißt Spanien, Ihr Spanien, was machen Sie dann?«
    Â»Was mir mein Gewissen sagt, das Tiefste, was der Mensch besitzt. Das Gewissen. Dieser innere Tempel, in dem es keinen anderen Gott gibt als den eigenen. Das Tiefste in einem selbst. Worüber lachen Sie, Carvalho?«
    Â»Das Tiefste am Menschen ist die Haut.«

23 Ich hatte fast vergessen, wie Frauen sind
    Seine Wunden taten ihm weh, und er rief Gilda Muchnik an.
    Â»Ich bin verprügelt worden. Ich lade Sie zum Essen ein. Haben Sie heute Abend Ausgang?«
    Ein Taxi würde eine Stunde brauchen, um die Frau nach Vallvidrera zu fahren. Sie hatte nichts versprochen. Sie hatte einfach aufgelegt, ohne ihm zu antworten. Gilda Muchnik konnte zwischen endlos vielen Möglichkeiten wählen, dachte Carvalho, die absehbarsten waren: dem Anruf keine weitere Beachtung schenken, schwanken, dem Anruf Beachtung schenken und, wenn die Entscheidung gefallen ist, ihm Beachtung zu schenken, ein Alibi schmieden, falls sie eines brauchte, oder sich körperlich und seelisch darauf vorbereiten, zu einer Blindverkostung zu gehen, einer Verkostung aus Mitleid oder weil sich Gegensätze nun mal anziehen. Die Frau, die seine heruntergekommene Villa betritt und alles betrachtet, als wäre nichts dort, wo es sein sollte,

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