Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
wirkt eher wie eine Versicherungsvertreterin, die nach einer Katastrophe den Schaden begutachtet. Sie wirft ihm denselben Blick zu wie zuvor der Einrichtung.
»Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt.«
»Mein Körper ist ein einziger Bluterguss.«
»Soll ich Sie verarzten?«
»Wir müssen uns entscheiden, ob Sie mich verarzten oder ob wir uns um das Essen kümmern. Können Sie kochen?«
»Nein!«, rief Gilda entrüstet.
»Wollen wir uns duzen?«
Sie zuckte mit den Schultern. Sie hatte schöne, hohe Schultern, schmal, aber wohlgeformt, die Schultern einer Frau, die aus dem einzigen Grund Sport treibt, weil sie einen schönen Körper haben will. Carvalho ging in die Küche und hantierte mit den Zutaten für den Schmorbraten herum. Er nahm eine Nadel, fädelte einen dünnen Bindfaden ein und nähte die Ränder der vier Fleischstücke zusammen. Die Mitte, wo jeweils ein kleines Häufchen Füllung zu erkennen war, lieà er offen.
»So was hast du vermutlich noch nie gegessen, es ist schwer, den Namen aus dem Katalanischen zu übersetzen.
Galtes, galtes de porc
. Schweinebacken, gefüllt mit Leberpastete, Hackfleisch, Trüffeln, köstlich. Dein Name ist jüdisch, oder? Isst du überhaupt Schwein? Es wird dir schmecken.«
Weil sie nicht antwortet, vollendet Carvalho sein Werk, brät die
galtes
kurz in Ãl an, gibt WeiÃwein dazu, verschiedene Gewürze, ein Glas Brühe. Das Ganze lässt er bei kleiner Flamme köcheln und geht in das Wohnzimmer zurück. Gilda ist verschwunden. Er entfacht den Kamin, wozu er den Roman
Die Wahrheit über den Fall Savolta
eines gewissen Eduardo Mendoza nimmt, eines Schriftstellers mit dem Namen eines Mittelstürmers. Er hatte ihn einmal im Fernsehen über die Privilegien des Alters reden hören. Der Schreiberling war kaum älter als fünfzig und besaà die Frechheit, über die Privilegien des Alters zu reden. Melancholisch sah Carvalho in die Flammen, in denen die Romanfiguren grillten, Lepprince, MarÃa Coral, Pajarito de Soto, Cabra Gómez, Kommissar Vázquez, Miranda, Cortabanyes. Wir sind nichts, Mendoza, ab fünfzig werden wir alles sein, das heiÃt, nichts. Privilegien des Alters. Zwei Frauenhände legten sich auf seine Schultern, Carvalho hielt sie fest und drehte sich um.
»Ich hatte fast vergessen, wie Frauen sind.«
Unter Carvalhos Bademantel roch Gilda nach nackter Frau. Carvalho folgte ihr, aber als sie es sich schon im Bett bequem machte, rannte er noch einmal in die Küche, um den Herd abzustellen. Bei seiner Rückkehr schaute die Hälfte des Körpers von Señora OlavarrÃa, mit Mädchennamen Muchnik, aus dem Durcheinander aus Decken, Laken und Tagesdecke hervor. Carvalho streckte sich neben ihr aus, und sie strich ihm mit der Hand durch das Haar. Sie streichelte die vom Desinfektionsmittel eingefärbten Wunden, küsste und leckte sie. Carvalho spürte sämtliche Erhebungen ihres Körpers und antwortete mit den seinen, die Finger im Dialog, standhaft das nach Monaten der Lethargie zu neuem Leben erwachte Geschlecht. Sie geriet schnell in Ekstase, war bereits beim Ãffnen der Beine in Ekstase geraten. Der Orgasmus war etwas anderes. Langsam. Langanhaltend. Carvalho sah sich gezwungen, die Gymnastik fortzusetzen, als befände sich sein bestes Stück noch immer im bestmöglichen Zustand. Ihr reichte der Wille, den Orgasmus vorzutäuschen. Gilda gehörte zu den Frauen, die einen Orgasmus haben, wann immer sie wollen, und vor allem, weil sie es wollen. Der Partner ist nur imaginär, und Gilda scheint der imaginäre Carvalho zu gefallen. Als sie wieder bei Atem und Syntax ist, küsst sie ihm noch einmal voller Leidenschaft die Wunden.
»Diese Wilden! Es ist nicht zu glauben. Von der Barbarei zur Schönheit der Liebe, zur Schönheit des Liebemachens. Ich bin ja so glücklich, dass wir es getan haben ... Ich fühle mich, als hätte ich in einer einzigen Nacht mehr als zwanzig Jahre widerlicher Achtbarkeit über Bord geworfen. Wie bist du auf die Idee gekommen, mich anzurufen? Hast du gehofft, dein Zustand würde meinen Beschützerinstinkt wecken? Und, bist du zufrieden?«
Carvalho betrachtet sie, offensichtlich zufrieden mit sich selbst.
»Was würde dein Mann sagen, wenn ...?«
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen und begann an ihnen herumzuspielen.
»Zum Glück hat er wenig
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