Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
und ausländischen Stadtplanern erklären, wie man ein verwahrlostes Viertel voller Prostitution und Gesindel umgestalten kann. Urbane Zentren, Parkanlagen, Parkhäuser, die eine oder andere Sportstätte. Der Abriss des La Dolce Vita ist bereits beschlossen, und indem die zuständige Firma ein Schild mit der Aufschrift
Enderrocs Siurana
, Abrissarbeiten Siurana, aufgestellt hat, trägt sie ganz nebenbei auch zur katalanischen Sprachpolitik bei. Biscuter ist zur Leichenhalle in der Calle Sancho de Ãvila gegangen, um Pepita de Calahorras Totenwache zu halten. Dorthin ist ihr toter Körper von der Poliklinik Peracamps überführt worden: Ãberdosis Heroin. Zur selben Zeit schleicht Carvalho um das alte Nachtlokal herum, aus dem verzweifeltes Maunzen dringt. Der zuständige Richter hat das Lokal verriegeln lassen, aber Carvalho reiÃt einfach ein Brett ab, und einen Moment später springen die zwölf bis vor Kurzem von Pepita protegierten Katzen aus der Ãffnung, einige von ihnen noch misstrauisch, erstaunt über die Wirklichkeit, die sie jenseits ihres winzigen, glücklichen Reiches erwartet. Am meisten verwirrt sind die kleinsten und schwächsten unter ihnen, besonders eine sticht ihm ins Auge, ein kümmerliches, grünlich getigertes Kätzchen mit unterschiedlich farbigen Augen. Er lässt sich von einer inneren Regung leiten, will schon die Katze greifen, aber als das Tier den Kopf zur Seite neigt, um sich an seiner ausgestreckten Hand zu reiben, äuÃert Carvalhos Gehirn Bedenken gegenüber der Adoption und der damit verbundenen Störung seines Alltags. Blitzschnell zieht er die Hand zurück. Die Ermordung seiner Hündin
Bleda
vor mehr als zwanzig Jahren hat ihn gelehrt, dass es keine harmlosen, der üblichen Dimension des Todes angemessenen Schmerzen gibt. Carvalho musste bis zur Plaza André Pieyre de Mandiargues gehen, um auf die Reste der Prostitution im Barrio Chino zu treffen. Die Nutten hatten sich an die Ränder des Lumpenreservats zurückgezogen, das schon auf Enderrocs Siurana und die Spitzhacken wartete. Pepita habe nie Drogen genommen, erzählte ihm die Gaditana, sie sei übervorsichtig gewesen und habe groÃe Angst gehabt, sich irgendwas Schlimmes einzufangen.
»Eine Ãberdosis? Pepita? Höchstens vom Málaga-Wein. Dem war sie tatsächlich verfallen.«
Cayetano war Carvalho von der Calle de las Tapias gefolgt und sah, wie der Detektiv von immer mehr betagten Nutten umringt wurde, die den Wunsch hatten, nützlich zu sein, wem oder was, das wussten sie selbst nicht. Alle waren enge Freundinnen von Pepita oder Juanita oder Paquita de Calahorra gewesen, der Name spielte keine Rolle mehr. Cayetano lief bis zur Calle San Pablo und schaute sich nach dem auf Kosten eines Teils der Calle Robadors offenen Platz um, einem Platz, der der Erinnerung an Salvador SeguÃ, dem
Noi del Sucre
, gewidmet war, einem von Banditen des Arbeitgeberverbands ermordeten Anarchistenführer. Er wurde noch immer ermordet, diesmal von den Stadtplanern, die ihm eine urbane Lücke gewidmet hatten â eingerahmt von erstaunten Wänden, Resten abgerissener Gebäude, armseligen, vom plötzlichen Sonnenlicht geblendeten Fassaden und einem menschlichen Potpourri aus Alten, Kindern, Jugendlichen zwischen zwei Gefängnisaufenthalten im Modelo und Polizisten, die aus pausenlos patrouillierenden Streifenwagen steigen, um sich die Beine und die Langeweile zu vertreten. Der Dicke saà auf einer für seinen Leibesumfang viel zu niedrigen Bank und würdigte den Bettler, der sich neben ihn setzte, keines Blickes.
»Treib es nicht zu weit,
ché
. Du hast das Geld eingesteckt, aber keine einzige unserer Abmachungen erfüllt.«
»Keine Sorge, ich erledige das auf meine Art. Ich mach das schon. Nur dieser Detektiv geht mir allmählich auf den Sack, er steht zwei Blocks weiter und plaudert mit Freundinnen von Pepita de Calahorra. Wieso eigentlich Ãberdosis? Sie hat keine Drogen genommen.«
»Was hab ich damit zu schaffen? Und um den Detektiv musst du dir keine Sorgen machen. Es ist alles unter Kontrolle. Ich weià sogar, wo seine entfernte Familie wohnt, die einzige, die er hat, ein Onkel, der lange in Argentinien gelebt hat und ihn jetzt überreden will, dorthin zu reisen, um ein Problem für ihn zu lösen.«
»Dieser Onkel aus Amerika wohnt in einem Penthouse in der Calle Marina. Am Rand der Villa OlÃmpica.
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