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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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passiert war. Er flog nach Barcelona und versuchte Helga zu bewegen, ebenfalls als Zeugin aufzutreten. Er machte seine Aussage vor dem Richter, der den Fall von Spanien aus führte, und Olavarría und Osorio fingen an zu zittern. Zwei terrorisierte Terroristen. Der terrorisierte Terror. Garantiert haben sie die argentinische Mafia um Hilfe gerufen. Die sind gut organisiert, heute für dich, morgen für mich. Viele der Militärs, die für das Foltern und Verschwindenlassen verantwortlich waren, haben später private Sicherheitsfirmen gegründet, und ich habe hier mitten auf der Straße, am selben Tag, als wir uns getroffen haben, einen finsteren Kerl gesehen, einen brutalen Schlächter, den man den Folterer von Rosario nannte und der dank seiner Verdienste befördert wurde, um den gleichen Posten in Buenos Aires zu bekleiden. Inzwischen wissen wir, zu was sie fähig sind, und weil wir das wissen, ist unser Leben in Gefahr. Und auch das Ihre, Carvalho. Und das Ihres Partners ebenfalls.«
    Carvalho griff zum Telefon, um Biscuter in seinem Büro auf den Ramblas anzurufen, aber die Leitung war tot. Er zögerte nicht lange, forderte Dorotea und Dieste auf, in seinen Wagen zu steigen, und fuhr sie zwei Straßen weiter zu Fuster. Es war nicht das erste Mal, dass er Fusters Haus als Versteck benutzte. Der Anwalt, Geschäftsführer und Hobbylateiner legte die Ausgabe von
L’Amant de la Chine du Nord
von Marguerite Duras beiseite, um die Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, während er besorgt bemerkte: »Was habe ich bloß verbrochen, um ein Mensch ohne Probleme zu sein?«
    Aber Carvalho war längst dabei, den Wagen anzuflehen, ihn so schnell wie möglich nach Barcelona zu bringen, auf einer Straße voll schleichender Lastwagen und rasender Vorahnungen.

22 Das Tiefste am Menschen ist die Haut
    Er betritt das Büro und denkt:
Du darfst nicht eintreten
, doch da ist er bereits drinnen, in Sorge um Biscuter, und als er die Hand ausstreckt, um Licht zu machen, wird er plötzlich vom Schein einer Taschenlampe geblendet, die direkt auf sein Gesicht gerichtet ist. Als er sich instinktiv die Hand vor die Augen hält, schaltet jemand das Licht an, und als er die Hand wegnimmt, starrt er direkt in einen Pistolenlauf, in ein metallisches Loch, das ihm immer näher kommt, bis es sich in einen stählernen Druck zwischen seinen Augenbrauen verwandelt. Aus dem Augenwinkel heraus sucht er Biscuter. In seinem Blickfeld ist er nicht, und eine Sekunde später hat Carvalho nicht einmal mehr ein Blickfeld, denn in diesem Moment trifft ihn ein Faustschlag direkt hinter dem linken Ohr. Er dreht sich um, bekommt jedoch sofort den nächsten Schlag ab, diesmal hinter das rechte Ohr. Zumindest haben sie Sinn für Symmetrie. Und den haben sie tatsächlich. Der nächste Schlag mit etwas mehr als einer Faust gilt seinen Nieren, dazu ein Tritt in den Unterleib. Um den Schlägen auszuweichen, lässt er sich fallen. Er rollt sich zur Seite, um sich wieder aufzurichten und Widerstand zu leisten, aber als er versucht, wieder auf die Beine zu kommen, indem er sich mit beiden Händen auf dem kalten Mosaikfußboden abstützt, versagen ihm die Muskeln. Doch dabei bleibt es nicht. Ein Fuß tritt ihm auf die flache Hand. Aus seinem Mund dringt ein schmerzerfülltes Stöhnen, aber mit einer schnellen Drehung der anderen Hand gelingt es ihm, den Fuß zu packen, der seine Finger martert, sodass er von ihm ablässt. Aus allen Richtungen prasseln Schläge auf ihn ein, und jemand setzt sich auf seine Brust, um ihn mit einem Gummiknüppel auf den Kopf zu schlagen. Benommen nimmt er wahr, wie sie beginnen, systematisch sein Büro zu verwüsten. Die Schubladen auskippen. Den Schreibtisch mit einer Axt spalten. Einer pisst auf die Ordner, ein anderer will Telefon und Faxgerät aus dem Fenster schleudern, wird aber im letzten Moment gestoppt.
    Â»Nicht dass jemand Wind bekommt, was hier los ist.«
    Sie begnügen sich, das Faxgerät an der Wand zu zerschmettern und sein schutzloses modernes Inneres auszuweiden, die Schatten der wenigen erhaltenen oder noch zu erwartenden Mitteilungen. Sie sind hinter den Vorhang gegangen, der das Büro von Biscuters Reich trennt, schmeißen Teller und Kasserollen auf den Boden, und als sie den Inhalt des Kühlschranks sehen, dringt lautes Gelächter ins Büro. Jetzt zerschlagen sie Flaschen. Mit der Stirn auf dem Boden

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