Cashkurs
offenen Immobilienfonds können nämlich wie andere Fondsanteile auch von heute auf morgen an die Fondsgesellschaft zurückgegeben werden, und diese muss dann den Anleger auszahlen. Weil jedoch schon das ganz normale Reihenhäuschen und erst recht nicht ein 50-Millionen-Euro-Büroturm von heute auf morgen verkauft werden können, halten die Fonds eine Cashreserve vor. Zu diesem Zweck wird ein Teil des Fondsvermögens nicht in Immobilien, sondern in jederzeit über die Börse verkäufliche Anleihen investiert.
Diese Reserve hat in normalen Zeiten ausgereicht, um die Auszahlungen an Anleger abzudecken. Doch mit dem Einbruch der Finanz- und Immobilienkrise waren 2008 die normalen Zeiten vorbei, und die Investoren flüchteten aus Immobilienwerten. Sechs Wochen nach der Pleite von Lehman Brothers hatten bereits mehr als ein Dutzend Fonds die Notbremse gezogen und die Rücknahme der Fondsanteile ausgesetzt. Mit dieser drastischen Maßnahme wird das Fondsvermögen eingefroren, damit keine Immobilien zu Schleuderpreisen im Notverkauf abgestoßen werden müssen. Für die Fondsgesellschaft ist dies der letzte Rettungsanker, wenn die Liquiditätsreserven aufgebraucht sind.
Somit wurde ganz schnell aus dem offenen Immobilienfonds ein geschlossener Immobilienfonds der ganz anderen Art. Das zeigt Ihnen auch ganz drastisch, wie unerwartete Marktverwerfungen plötzlich die Spielregeln verändern können, wenn man nicht gut informiert ist. Der Bankverkäufer hatte dem Anleger damals sicherlich erklärt: »Keine Sorge, Sie kommen jederzeit an Ihr Geld ran. Einen offenen Immobilienfonds kann man täglich zurückgeben.« Jetzt heißt die neue Spielregel: »Das konnte man doch nicht ahnen. Bei solchen Verwerfungen an den Märkten gelten eben eigene Regeln. Das müssen Sie verstehen.«
Nein! Ich verstehe das nicht. Ich habe diese Art von Geschäftsmodell noch nie verstanden. Schließlich gibt es die sogenannte »goldene Bankregel«, die jeder Azubi im ersten Banklehrjahr lernt: Kurzfristige Verbindlichkeiten müssen kurzfristig refinanziert werden, langfristige Verbindlichkeiten müssen langfristig refinanziert werden. Sonst gibt es irgendwann einen großen Knall. Jeder Häuslebauer nimmt für sein Reihenhaus (langfristige Investition) ein möglichst langfristiges Darlehen auf. Zehn Jahre sollen es mindestens sein. Aber die Herren Fondsanbieter haben mal wieder das eckige Rad erfunden und finanzieren ihre 50-Millionen-Einkaufsmeile mit ultrakurzfristigen Tagesgeldern. Nichts anderes ist es, wenn sie dem Anleger versprechen, er kann sein Geld täglich zurückhaben.
Natürlich gab es schon vorher Gerüchte über Fondsschließungen, und so gewann die Panik an Eigendynamik. Die Fonds erlitten ein ähnliches Schicksal wie Banken bei Pleitegerüchten: Die Anleger stürmten die Bank und hoben innerhalb kürzester Zeit so viel Geld ab, dass das Geldinstitut tatsächlich illiquide wurde.
Damit zeigten die offenen Immobilienfonds ihre Achillesferse: Das langfristige und unflexible »Betoninvestment« wurde in ein Anlageprodukt gegossen, das von heute auf morgen verfügbar ist. Das geht nur gut, solange die Anleger ihre Anlagestrategie träge und gemächlich ändern. Aber bei Panik fährt der Fonds unweigerlich an die Wand.
Um die offenen Immobilienfonds wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, hat der Gesetzgeber die Zugriffsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Für institutionelle Anleger soll der schnelle Abzug großer Summen über eine jeweils einjährige Mindesthalte- und Kündigungsfrist vereitelt werden, so dass Gelder effektiv frühestens nach zwei Jahren wieder abfließen können. Für private Anleger bleibt jedoch ein Schlupfloch offen: Zwar soll die reguläre Kündigungsfrist ein Jahr zuzüglich einer Mindesthaltedauer von ebenfalls einem Jahr betragen. Unabhängig davon können jedoch private Anleger Fondsanteile im Gegenwert bis zu 30000 Euro pro Halbjahr ohne Fristeinhaltung an die Fondsgesellschaft zurückgeben. Allerdings nur, wenn das Fondsvermögen nicht eingefroren ist …
Für den normalen Anleger ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, wie werthaltig die Immobilien im jeweiligen Fonds überhaupt sind. Der Wert einer solchen Immobilie berechnet sich hauptsächlich aufgrund der Mieteinnahmen. Können Sie abschätzen, ob der zugrundeliegende Mietvertrag über ein 50-stöckiges Hochhaus im Osten Japans wirklich den aktuellen Marktverhältnissen entspricht oder ob es sich um einen kurzfristigen Gefälligkeitsmietvertrag
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