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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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ernstlich zusehen, wie es mit dem Tagebuch beschaffen ist und was dahintersteckt. Das Tagebuch scheint zu existieren, es scheint damit seine Richtigkeit zu haben, abgesehen von allem Geflunker; vielleichtist es eine Art Beichtgelegenheit für ihn; man muß dahinterkommen.
    Die Begebenheiten halfen Quandt, rascher dahinterzukommen, als er gehofft.
Eine Stimme ruft
    Eines Nachmittags im Hochsommer erschien Hickel und reichte Caspar einen an ihn, den Polizeileutnant, gerichteten, aber im Grunde für Caspar bestimmten Brief des Grafen Stanhope, in welchem dieser dem Jüngling klipp und klar befahl, das Tagebuch an Hickel auszuliefern.
    Caspar überlas das Schreiben dreimal, ehe er endlich Worte fand; er weigerte sich zu gehorchen.
    »Ja, mein Bester,« sagte Hickel, »wenn es nicht gutwillig geht, muß ich leider Gewalt anwenden.«
    Caspar besann sich, dann sagte er mit trüber Stimme, der einzige, dem er das Tagebuch geben könne, sei der Präsident, und dem wolle er es morgen bringen, wenn man darauf bestehe.
    »Gut,« entgegnete der Polizeileutnant, »ich werde Sie morgen früh abholen, und dann gehen wir mit dem Heft zum Präsidenten.«
    Hickel wollte Zeit gewinnen. Er hatte natürlich keine Lust, das Tagebuch in die Hände Feuerbachs kommen zu lassen, gerade dies zu verhindern, hatte er Auftrag, und er überlegte, was zu tun sei. Was Caspar betrifft, so stahl er sich gegen Mittag aus dem Haus und lief in die Wohnung des Präsidenten, um sich zu beschweren. Feuerbach war im Senat; Caspar vertraute seine Sorgeder Tochter an, und diese versprach dem Vater Bericht zu geben.
    Nachmittags läutete es bei Quandts, und der Präsident trat ins Zimmer. Mittlerweile hatte Caspar, um auch diesem sonst verehrten Mann den gehüteten Schatz nicht ausliefern zu müssen, sich eine Ausrede erdacht, und als der Präsident im Beisein Quandts nach dem Tagebuch fragte und ob es wahr sei, daß er es nicht zeigen wolle, sagte er schnell, er habe es verbrannt.
    Da gab es dem Lehrer einen Ruck, und er konnte sich eines zornigen Ausrufs nicht enthalten.
    »Wann haben Sie es verbrannt?« fragte Feuerbach ruhig.
    »Heute.«
    »Und warum?«
    »Damit ich’s nicht hergeben muß.«
    »Warum wollen Sie es nicht hergeben?«
    Caspar schwieg und starrte zu Boden.
    »Das ist eine Lüge, er hat es nicht verbrannt, Exzellenz,« zeterte Quandt, bebend vor Ärger. »Und wenn er überhaupt ein Tagebuch geführt hat, so muß es schon länger beiseitegebracht sein. Von Weihnachten an hab’ ich es überall gesucht, in jedem Winkel seines Zimmers hab’ ich Umschau gehalten, und nie, niemals war eine Spur davon zu finden.«
    Der Präsident schaute Quandt aus großen Augen stumm und verwundert an; es war ein Blick, der etwas Mattes und Gramvolles hatte. »Wo war denn das Tagebuch aufbewahrt, Caspar?« fuhr er dann zu fragen fort.
    Caspar antwortete zaudernd, er habe es bald da, bald dort versteckt; bald unter den Büchern, bald im Schrank, zuletzt an einem Nagel hinterder Schreibkommode. Quandt schüttelte dabei unaufhörlich den Kopf und lächelte böse. »Haben Sie denn den Nagel selbst eingeschlagen?« inquirierte er.
    »Ja.«
    »Wer hat Ihnen die Erlaubnis dazu erteilt?«
    »Gehen Sie jetzt, Caspar,« schnitt der Präsident das Zwiegespräch gebieterisch ab. »Ich begreife nicht,« wandte er sich, als Caspar draußen war, an den Lehrer, »weshalb Lord Stanhope plötzlich so großes Gewicht auf das Tagebuch legt; wahrscheinlich überschätzt er die ohne Zweifel harmlosen Schreibereien. Mit Güte und Überredung wäre man übrigens besser gefahren als durch einen kategorischen Befehl.«
    »Güte, Überredung?« versetzte Quandt händeringend. »Da haben Euer Exzellenz einen schlechten Begriff von diesem Menschen. Durch Güte entfesselt man nur seine Selbstsucht, und jeder Versuch, ihn zu überreden, vergrößert seine Bockbeinigkeit. Ja, er dünkt sich schon etwas, stellt sich auf die Hinterfüße, hält Widerpart und ist fähig, mir eine Antwort zu geben, daß ich dastehe wie vor den Mund geschlagen. Euer Exzellenz mögen verzeihen, aber ich bin der Meinung, daß sogar Sie durch Güte und Überredung nichts mehr bei ihm ausrichten können.«
    »Na, na,« machte Feuerbach, schritt zum Fenster und sah düster in die regentriefenden Zweige des Birnbaums, der an der Hofmauer wuchs.
    »Ich getraue mich auch, Euer Exzellenz auf das allerbestimmteste zu versichern, daß er das Tagebuch nicht verbrannt hat,« schloß Quandt mit beschwörender Stimme.
    Der Präsident

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