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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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sichtbar bezahlt wird.
Eine vermummte Person tritt auf
    Caspar war in den Garten gegangen. Er lief über den feuchten Boden bis zum Zaun und schaute gegen den Fluß hinüber. Ein bleifarbener Dunst umkleidete die Türmchen und ineinander geschobenen Dächer der Stadt, nur das bunte Dach der Lorenzerkirche glänzte hell, doch glich alles zusammen mehr einem Spiegelbild im Wasser als einer greifbaren Wirklichkeit.
    Caspar fröstelte, und es war doch warm. Er wandte sich wieder gegen das Haus. Als er das Pförtchen geöffnet hatte, machte ihn der leer daliegende Flur betroffen. Ein breiter Streifen Sonne, der über die Steinfliesen kam und zitternd die weißen Stufen der Wendeltreppe hinauflief, verstärkte den Eindruck der Verlassenheit. Hinter einer Tür des Flurs, aus der Wohnung des Kandidaten Regulein, tönten Geigenklänge; der Kandidat übte. Den einen Fuß schon auf der Treppe, blieb Caspar stehen und lauschte.
    Da! Da war es! Da kam er! Ein Schatten erst, dann eine Gestalt, dann eine Stimme. Was sagte die Stimme, die tiefe Stimme?
    Eine tiefe Stimme sprach hinter ihm die Worte: »Caspar, du mußt sterben.«
    Sterben? dachte Caspar erstaunt, und seine Arme wurden steif wie Hölzer.
    Er sah einen Mann vor sich stehen, der ein seidig-schwarzes, langhängendes, vom Zugwindein wenig geblähtes Tuch vor dem Gesicht hatte. Er hatte braune Schuhe, braune Strümpfe und einen braunen Anzug. Über seinen Händen trug er Handschuhe, und in seiner Rechten funkelte etwas Metallenes, funkelte schnell und erlosch. Er schlug Caspar damit. Während Caspar den gelähmten Blick nach oben zwang, spürte er einen donnernden Schmerz im Hirn.
    Auf einmal hörte der Kandidat Regulein auf, die Geige zu spielen. Es erschallten Schritte, die wieder verklangen, doch mochte der Vermummte stutzig geworden sein und die Furcht ihn verhindern, zum zweitenmal auszuholen. Als Caspar die Augen auftat, über die von der Mitte der Stirn herunter eine brennende Nässe floß, war der Mann verschwunden.
    Ei, hätte er nur nicht Handschuhe gehabt, unter tausend Händen wollte ich seine Hand erkennen, dachte Caspar, indem er zur Seite torkelte. An der Schmalseite des Flurs fand er keinen Halt; er probierte die Stiege hinaufzuklimmen, aber der Sonnenstreifen erschien wie ein hindernder Strom Feuers. Er glitt nieder, umklammerte die Steinsäule und blieb eine halbe Minute lautlos sitzen, bis ihn die Angst packte, der Vermummte könne wieder zurückkommen. Mit aller Kraft hielt er das fliehende Bewußtsein noch fest, richtete sich auf, taumelte vorwärts und tastete sich an der Wand entlang, als suche er ein Loch, um sich zu verkriechen.
    Als er bei der Kellertreppe war, gab die nur angelehnte Tür dem Druck seiner Hand nach, so daß er fast hinuntergestürzt wäre. Kaum sehend und ohne zu überlegen tappte er so schnell wie möglich die finsteren Stufen hinunter, denn schonglaubte er den Vermummten hinter sich. Als er im Keller war, spritzte Wasser von seinen Schritten auf; es war Regenwasser, das bei schlechtem Wetter hier unten Pfützen bildete. Endlich fand er einen trockenen Winkel; während er sich niederließ und sich, voller Furcht und Grauen, förmlich zusammenrollte, hörte er noch von den Turmuhren zwölf schlagen, danach sah und fühlte er nichts mehr.
    Um viertel eins kamen die Daumerschen Frauen zurück. Anna, die im Flur voranging, gewahrte die große Blutlache vor der Stiege und schrie auf. Gleichzeitig kam der Kandidat Regulein aus seiner Wohnung und meinte: »Na, was ist denn das für eine Bescherung!« Die alte Frau, die an nichts Schlimmes dachte, äußerte sich, wahrscheinlich habe jemand Nasenbluten gehabt. Anna jedoch, mehr und mehr voll Ahnung, wies auf die blutigen Fingerabdrücke hin, die an der Mauer bis zur Kellertür sichtbar waren. Sie sprang hinauf, ihr erster Gedanke war Caspar, sie suchte ihn in allen Zimmern und sagte zum Bruder: »Du, da unten ist alles voll Blut.« Daumer erhob sich mit einem beklommenen Ausruf vom Schreibtisch und eilte hinaus.
    Inzwischen war der Kandidat der Blutspur bis in den Keller gefolgt. Mit heiserer Stimme schrie er von unten nach Licht und fügte gellend hinzu: »Da unten ist er, da liegt der Hauser! Hilfe, Hilfe, schnell!«
    Alle drei Daumers stürzten in den Keller, Anna kam keuchend wieder zurück, um die Kerze zu holen, die andern versuchten, den verkauerten Körper Caspars aufzurichten, und dann trugen sie ihn selbdritt hinauf. »Zum Arzt, zum Arzt!« kreischte Frau Daumer der

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