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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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durchzuschlagen.«
    »Moment mal«, unterbricht mich Eli. »Du willst zurück zur Gesellschaft? Warum?«
    »Nicht wirklich
zurück
«, erwidere ich. »Ich würde einen anderen Weg einschlagen als den, den wir gekommen sind. Und ich würde mich nur so weit nähern, um ihr eine Nachricht zu schicken. Damit sie weiß, wo ich bin.«
    »Wie willst du das anstellen?«, fragt Eli. »Selbst wenn du es bis zu den Grenzprovinzen schaffen solltest – die Gesellschaft überwacht die Terminals. Sie würden feststellen, wenn du ihr etwas schicken würdest.«
    »Deswegen brauche ich die Dokumente aus der Niederlassung«, erkläre ich. »Die werde ich einem Archivisten als Bezahlung anbieten. Die Archivisten haben Mittel und Wege, Nachrichten zu senden, für die sie keine Terminals brauchen. Aber das ist teuer.«
    »Was sind Archivisten?«, fragt Eli erstaunt.
    »Leute, die auf dem Schwarzmarkt handeln«, antworte ich. »Es gab sie schon vor der Gesellschaft. Auch mein Vater hat mit ihnen Geschäfte gemacht.«
    »So sieht also dein Plan aus«, stellte Vick fest. »Mehr steckt nicht dahinter.«
    »Bis jetzt nicht«, gebe ich zu.
    »Glaubst du, dass das funktionieren wird?«, fragt Eli.
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich. Über uns kreist ein Vogel und beginnt zu singen – ein Bergzaunkönig. Seine unheimlichen, klaren Rufe rieseln wie ein Wasserfall die Felswände der Klamm hinunter. Ich kenne den Gesang dieses Vogels, weil mein Vater ihn mir oft vorgemacht hat. Er erzählte mir, das sei der Ruf der Canyons.
    Er liebte die Canyons.
    In den Geschichten meines Vaters vermischten sich Wahrheit und Fiktion. Wenn meine Mutter ihn deswegen aufzog, pflegte er zu erwidern: »In meinen Geschichten steckt ein wahrer Kern.«
    »Aber die Niederlassung in der Schlucht gibt es wirklich?«, fragte ich jedes Mal, um ganz sicherzugehen. »Die Geschichten, die du uns darüber erzählt hast, sind wirklich wahr?«
    »Ja«, sagte er. »Irgendwann nehme ich dich mit. Dann wirst du es mit eigenen Augen sehen.«

    Als sie dann hinter der nächsten Biegung vor uns auftaucht, bleibe ich ungläubig stehen. Da ist sie, genau, wie mein Vater sie uns beschrieben hatte:
eine Niederlassung in einer Verbreiterung der Schlucht.
    Ein Gefühl, als würde ich träumen, legt sich auf mich, wie das weiche Spätnachmittagslicht, das auf die hohen Wände der Schlucht fällt. Die Niederlassung sieht fast genauso aus, wie ich sie aus den Erzählungen meines Vaters im Gedächtnis habe.
    Die Sonne schien und überzog alles mit einem goldenen Glanz: die Brücke, die Häuser, die Leute, sogar mich. Ich konnte nicht glauben, dass dieser Ort wirklich existierte, obwohl ich seit Jahren immer wieder davon gehört hatte. Später, als die Farmer mir das Schreiben beibrachten, hatte ich dasselbe Gefühl. Als hätte ich immer die Sonne im Rücken.
    Die Wintersonne wirft einen orange-goldenen Schein über die Gebäude und die Brücke vor uns.
    »Da ist sie«, seufze ich.
    »Es gibt sie wirklich«, sagt Vick.
    Eli strahlt.
    Die Häuser stehen dicht gedrängt und nur am Fluss oder neben hinuntergestürzten Felsen etwas weiter auseinander. Wohnhäuser. Größere Gebäude. Winzige Felder, dort, wo sich das Tal verbreitert.
    Doch etwas fehlt. Die Bewohner. Die Stille ist erdrückend. Vick wirft mir einen Seitenblick zu. Er spürt es auch.
    »Wir kommen zu spät«, sage ich. »Sie sind fort.«
     
    Sie können noch nicht lange weg sein, hier und da finde ich ihre Spuren.
    Außerdem entdecke ich Zeichen dafür, dass sie ihre Flucht vorbereitet haben. Dies war kein hastiger Aufbruch, sondern ein sorgfältig geplanter. Die verkrüppelten schwarzen Apfelbäume sind abgeerntet worden; nur wenig goldene Äpfel leuchten noch an den Zweigen. Die meisten Landwirtschaftsgeräte sind auch fort. Ich nehme an, dass die Farmer sie auseinandergebaut und mitgenommen haben. Nur wenige rostige Werkzeuge sind zurückgeblieben.
    »Wo sind sie hingegangen?«, fragt Eli.
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich.
    Hat die Gesellschaft doch gewonnen? Ist niemand mehr übrig?
    Wir kommen an einer Gruppe von Pappeln am Ufer des Flüsschens vorbei. Ein kleiner, drahtiger Baum wächst etwas abseits.
    »Wartet«, bitte ich die anderen beiden. »Es wird nicht lange dauern.«
    Ich schneide nicht tief – ich will nicht, dass der Baum abstirbt. Vorsichtig ritze ich ihren Namen in den Stamm und denke dabei – wie immer – daran, wie ich ihre Hand gehalten und ihr das Schreiben beigebracht habe. Vick und Eli warten

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