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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Flucht entdeckt hat, verdiene ich mit Sicherheit den Aberrationenstatus. »Ja«, sage ich. »Ich gehöre zur ersten Generation.«
    »Also hast du etwas angestellt?«, fragt sie.
    »Ja«, antworte ich erneut. »Ich bin schuld an meiner Deklassifizierung.« Auch das ist die Wahrheit, oder sie wird es zumindest sein. Wenn sich mein Status ändert, dann nicht, weil meine Eltern etwas Falsches getan haben.
    »Meine Mutter hat ein Boot gebaut«, erzählt Indie, und ich höre, wie sie einen weiteren Bissen von der Pflanze hinunterschluckt. »Sie hat einen alten Baumstamm ausgehöhlt. Es hat Jahre gedauert. Irgendwann ist sie losgepaddelt, aber die Funktionäre haben sie innerhalb einer Stunde gefunden.« Sie seufzt. »Sie lasen sie auf und retteten sie. Uns hat man erzählt, dass sie das Boot nur ausprobieren wollte und dankbar sei, dass man sie rechtzeitig an Land gebracht habe.«
    Ich höre ein merkwürdiges Geräusch in der Dunkelheit, das ich nicht einordnen kann, ein leises Rascheln, wie ein Flüstern. Es dauert einen Moment, bis ich erkenne, dass Indie es verursacht, indem sie das Wespennest während des Sprechens in der Hand bewegt.
    »Ich habe nie in der Nähe eines Gewässers gelebt«, erzähle ich. »Jedenfalls nicht am Meer.«
    »Es ruft dich«, sagt Indie leise. Bevor ich fragen kann, was sie meint, fügt sie hinzu: »Später, nachdem die Funktionäre weg waren, hat meine Mutter meinem Vater und mir erzählt, was wirklich geschehen war. Sie sagte, sie habe wirklich gehen wollen. Das Schlimmste sei gewesen, dass sie nicht einmal die Küste aus den Augen verloren hatte, bevor sie sie fanden.«
    Ich habe das Gefühl, als stünde ich am Strand eines Meeres und irgendetwas, eine Ahnung, lecke an meinen Füßen. Fast kann ich die Frau in ihrem Boot auf dem Wasser sehen, wie sie immer weiter abtreibt und hinter sich nichts mehr sieht außer Meer und Himmel. Beinahe kann ich ihren tiefen Seufzer der Erleichterung hören, und ich wünschte, sie hätte es weit genug geschafft, um diesen Augenblick der Einsamkeit zu erleben.
    Leise sagt Indie: »Als die Funktionäre herausfanden, was sie uns erzählt hatte, verabreichten sie uns allen rote Tabletten.«
    »Oh«, sage ich. Sollte ich ihr zeigen, dass ich weiß, was diese Tabletten bewirken? Dass sie vergessen lassen?
    »Aber ich habe nichts vergessen«, fährt Indie fort, und obwohl es so dunkel ist, dass ich ihre Augen nicht mehr erkennen kann, weiß ich, dass sie mich ansieht.
    Sie muss davon ausgehen, dass ich weiß, was die roten Tabletten bewirken. Sie ist wie Ky und Xander. Sie ist immun.
    Wie viele von diesen Menschen gibt es? Bin ich eine von ihnen?
    Die rote Tablette, eingeklemmt zwischen den blauen, reizt mich manchmal, so wie an jenem Morgen, als sie Ky wegbrachten. Doch diesmal nicht, weil ich vergessen will, sondern, weil ich wissen will. Bin ich auch immun?
    Aber möglicherweise bin ich es nicht, und jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, es auszuprobieren. Außerdem könnte es sein, dass ich die rote Tablette später noch brauche.
    »Warst du ihr böse, weil sie versucht hat, euch zu verlassen?«, frage ich und denke an Xander und an das, was er über das Verlassenwerden gesagt hat. In dem Moment, als ich es ausspreche, wünschte ich schon, ich hätte nichts gesagt, doch Indie reagiert nicht verletzt.
    »Nein«, erwidert sie. »Sie hatte von Anfang an vor, zurückzukehren und uns zu holen.«
    »Ach so«, sage ich, und für einen Moment spricht keiner von uns. Ich muss daran denken, wie Bram und ich einmal am Arboretum-Teich standen und auf meine Mutter warteten. Bram wollte einen Stein ins Wasser werfen, aber ich wusste, dass er Ärger bekommen würde, wenn ihn jemand sähe. Also wartete er. Sah sich überall um. Als ich schon dachte, er hätte aufgegeben, schnellte sein Arm vor, der Stein fiel hinein und hinterließ Kreise auf der Wasseroberfläche.
    Indie wirft zuerst. »Sie hatte von einer Rebellion auf einer Insel vor der Küste gehört. Sie wollte sich dieser Bewegung anschließen und später ihre Familie nachholen.«
    »Ich habe auch von einer Rebellion gehört«, sage ich, unfähig, meine Aufregung zu verbergen. »Sie nennt sich ›die Erhebung‹.«
    »Ja, die ist es!«, antwortet Indie eifrig. »Jemand hatte meiner Mutter erzählt, die Rebellen seien überall. Die Canyons hier wären genau der Ort, an dem sie sein könnten.«
    »Das glaube ich auch«, pflichte ich ihr bei. In Gedanken sehe ich ein Stück durchscheinendes Papier über einer Karte der

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