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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Vaters einverstanden war, will ich ihm nicht in den Rücken fallen. Eine weitere schmale Grenze, die ich mich weigere zu überschreiten.
    »Keiner der anderen Lockvögel hat die Verse erkannt«, sagt Vick. »Man sollte doch meinen, mehr Aberrationen wüssten von der Erhebung und hätten ihren Kindern davon erzählt.«
    »Vielleicht waren es alle die, die es geschafft haben, zu flüchten, bevor die Gesellschaft uns in die Dörfer geschickt hat«, erwidere ich.
    »Die Farmer haben offenbar nicht zur Erhebung gehört«, fährt Vick fort. »Erst dachte ich, du würdest uns deswegen zu ihnen führen – damit wir uns anschließen können.«
    »Ich habe euch nirgendwohin geführt«, entgegne ich. »Die Farmer wussten von der Erhebung. Aber ich glaube nicht, dass sie dazugehört haben.«
    »Du weißt nicht wirklich viel«, sagt Vick grinsend.
    Ich muss lachen. »Nein«, gebe ich zu. »Du hast recht.«
    »Ich dachte, du hättest eine Art höheres Ziel«, fährt Vick nachdenklich fort. »Leute zu sammeln und sie zur Erhebung zu bringen. Aber du hast dich nur deswegen in die Schlucht geflüchtet, um deine eigene Haut zu retten und zu dem Mädchen zurückzukehren, in das du verliebt bist. Das ist alles.«
    »Das ist alles«, pflichte ich ihm bei. Es ist die Wahrheit. Auch wenn ich dadurch in seiner Achtung sinke.
    »Nun ja. Das ist wohl Grund genug«, sagt Vick. »Schlaf gut.«

    Als ich mit meinem scharfen Achatsplitter in den Stein ritze, hinterlasse ich saubere weiße Spuren. Natürlich wird dieser Kompass nicht funktionieren. Er lässt sich nicht öffnen. Der Zeiger wird niemals kreisen, aber ich schabe trotzdem weiter. Ich muss einen neuen Achatsplitter finden. Anstatt damit zu töten, nutze ich diesen hier durch das Ritzen ab.
    Während die anderen beiden schlafen, beende ich meine Arbeit am Kompass. Als ich fertig bin, drehe ich ihn so in der Hand, dass sein Pfeil in die Richtung zeigt, die ich für Norden halte, und lege mich schlafen. Ob Cassia noch den echten Kompass hat, den, den meine Tante und mein Onkel für mich aufbewahrt haben?
     
    Wieder steht sie auf dem Gipfel des Hügels, in den Händen etwas Kleines, Rundes, Goldenes: den Kompass. Am Horizont taucht eine noch glänzendere Scheibe auf: die Sonne.
    Sie öffnet den Kompass und beobachtet den Zeiger.
    Tränen im Gesicht, Wind in den Haaren.
    Sie trägt ein grünes Kleid.
    Der Rock streift das Gras, als sie sich bückt und den Kompass auf den Boden legt. Als sie sich wieder aufrichtet, sind ihre Hände leer.
    Xander steht hinter ihr. Er streckt die Hand aus.
    »Er ist weg«, sagt er zu ihr. »Ich bin hier.« Seine Stimme klingt traurig. Aber hoffnungsvoll.
    Nein, will ich sagen, aber Xander sagt die Wahrheit. Ich bin nicht da, nicht wirklich. Ich bin nur ein Schatten, der sie vom Himmel aus beobachtet. Sie sind real. Ich bin nicht mehr.

    »Ky!«, ruft Eli und schüttelt mich. »Ky, wach auf! Was ist denn los?«
    Vick schaltet die Taschenlampe ein und leuchtet in meine Augen. »Du hattest einen Albtraum«, sagt er. »Was war denn los?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nichts«, antworte ich und blicke hinunter auf den Stein in meiner Hand.
    Der Pfeil zeigt starr in eine Richtung. Kein Kreisen. Keine Veränderung. Wie bei mir und Cassia. Gefangen in einer Vorstellung, einem Symbol am Himmel. Eine Wahrheit, an die ich mich klammern kann, wenn alles andere in meiner Umgebung zu Staub zerfällt.

Kapitel 16 CASSIA

    In meinem Traum steht ihm die Sonne im Rücken, so dass seine Gestalt dunkel erscheint, obwohl ich weiß, dass sie hell ist. »Cassia«, sagt er, und die Zärtlichkeit in seiner Stimme treibt mir die Tränen in die Augen. »Cassia, ich bin es.«
    Ich kann nichts sagen. Ich strecke die Arme nach ihm aus, lächelnd, weinend, so froh, nicht allein zu sein.
    »Ich werde jetzt fortgehen«, sagt er. »Es wird sehr hell werden. Aber du musst die Augen öffnen.«
    »Sie sind doch offen«, antworte ich verwirrt. Wie könnte ich ihn sonst sehen?
    »Nein«, erwidert er. »Du schläfst. Du musst aufwachen. Es ist Zeit.«
    »Du gehst doch nicht fort, oder?« Ich kann an nichts anderes denken, als dass er mich verlassen könnte.
    »Doch«, sagt er.
    »Nein!«, flehe ich. »Bitte nicht!«
    »Du musst die Augen öffnen!«, wiederholt er, also tue ich es. Ich erwache unter einem strahlend hellen Himmel.
    Doch Xander ist nicht da.
    Zu weinen ist reine Flüssigkeitsverschwendung, aber ich kann einfach nicht aufhören. Die Tränen laufen mir übers staubige Gesicht und

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