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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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hinterlassen schmierige Streifen. Ich versuche, das Schluchzen zu unterdrücken, um Indie nicht zu wecken, die trotz des hellen Sonnenscheins immer noch schläft. Nachdem wir gestern auf die blaugezeichneten Leichen gestoßen waren, sind wir den ganzen Tag dem trockenen Bachbett der zweiten Schlucht gefolgt. Wir sahen nichts und niemanden.
    Ich hebe die Hände, lege sie auf mein Gesicht und lasse sie dort, spüre die Wärme meiner eigenen Tränen.
    Ich habe solche Angst!,
denke ich.
Um mich, um Ky. Ich dachte, wir wären in der falschen Schlucht, weil ich keine Spur von ihm entdecken konnte. Aber wenn sie ihn verbrannt haben, werde ich nie erfahren, wo er gewesen ist.
    Ich habe die ganze Zeit gehofft, ihn zu finden – während der vielen Monate, in denen ich auf den Feldern arbeitete, als ich in dem fensterlosen Flugschiff durch die Nacht flog, während des langen Laufs zu den Bergen.
    Doch vielleicht ist inzwischen gar nichts mehr von ihm übrig, was du finden könntest
, quält mich eine innere Stimme.
Ky ist nicht mehr, und die Erhebung auch nicht. Angenommen, der Steuermann ist tot, und niemand hat seine Stelle eingenommen?
    Ich blicke Indie an und frage mich, ob sie wirklich meine Freundin ist.
Vielleicht ist sie eine Spionin
, denke ich,
ausgesandt von meiner Funktionärin. Indie soll mich in der Schlucht scheitern und sterben sehen, damit die Funktionäre erfahren, wie sich ihr Versuchskaninchen in ihrem Experiment verhält
.
    Woher kommen diese Gedanken?,
frage ich mich, und dann wird es mir schlagartig klar:
Ich bin krank.
    Krankheit kommt in der Gesellschaft nur selten vor, aber schließlich befinde ich mich außerhalb von ihr. Mein Verstand analysiert alle Variablen, die eine Rolle spielen: Erschöpfung, Austrocknung, extreme psychische Belastung, Nahrungsmangel. Das musste ja Folgen haben.
    Nach dieser Erkenntnis geht es mir besser. Wenn ich krank bin, bin ich nicht ich selbst. All das, was ich eben über Ky, Indie und die Erhebung gedacht habe, glaube ich nicht ernsthaft, und ich bin so durcheinander, dass ich sogar vergessen habe, dass es gar nicht meine Funktionärin war, die mit dem Experiment begonnen hat. Ich erinnere mich an das Flackern in ihren Augen, als sie mich draußen vor dem Museum in Oria angelogen hat. Sie wusste nicht, wer Kys Namen in den Paarungspool hat einfließen lassen.
    Ich atme tief durch. Für einen Augenblick kehrt das Gefühl aus dem Traum mit Xander zurück und tröstet mich. »Öffne die Augen«, hat er zu mir gesagt. Er wollte, dass ich irgendetwas sehe, aber was? Ich blicke mich in der Höhle um, in der wir unser Nachtlager bezogen haben. Ich sehe Indie, die Felsen und meinen Rucksack mit den Tabletten darin.
    Die blauen habe ich, zumindest in gewisser Weise, nicht von der Gesellschaft, sondern von Xander erhalten, dem ich vertraue. Ich habe lange genug gewartet.
    Ich brauche eine ganze Zeit um die Verpackung zu öffnen, weil meine Finger mir nicht gehorchen. Endlich drücke ich die erste blaue Tablette heraus, stecke sie in den Mund und schlucke kräftig. Es ist das erste Mal, dass ich eine Tablette einnehme – zumindest, soweit ich das weiß. Für einen Moment sehe ich Großvaters Gesicht vor mir, und er sieht enttäuscht aus.
    Ich blicke auf die Vertiefung, in der die Tablette gelegen hat. Sie ist nicht leer, wie ich erwartet habe, sondern enthält noch irgendetwas – einen schmalen Streifen Papier.
    Terminalpapier. Ich falte es auseinander, noch immer mit zitternden Händen. Dadurch, dass es in der verschlossenen Verpackung aufbewahrt wurde, hat sich das Papier gehalten, aber an der Luft wird es rasch zerfallen.
    Beschäftigung: Rettungsassistent. Wahrscheinlichkeit einer Festanstellung und Aufstieg zum Arzt: 97 , 3  Prozent.
    »O Xander!«, flüstere ich.
    Es ist ein Stück aus Xanders offiziellen Paarungsinformationen. Den Informationen auf dem Mikrochip, die ich mir nie auf dem Terminal angesehen habe, weil ich dachte, ich wüsste bereits alles. Ich betrachte die verpackten Tabletten in meiner Hand. Wie hat er das geschafft? Wie hat er den Schnipsel hineinbekommen? Sind etwa noch mehr darin?
    Ich stelle mir vor, wie er eine Kopie der Informationen über sich am Terminal ausdruckt, jede Zeile sorgfältig in Streifen reißt und sie mühsam in die Packung schmuggelt. Er muss gewusst haben, dass ich mir den Mikrochip nie angeschaut habe, er wusste, dass ich mich von ihm abgewandt und statt seiner nur noch Ky gesehen habe.
    Genauso hat mir auch Ky, damals in

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